Gorbatschow alarmiert ZK nach Litauen-Beschluß

■ Kettenreaktion nach dem Autonomie-Beschluß der Litauen-KP erwartet

Moskau (ap) - Die organisatorische Trennung der Kommunistischen Partei Litauens von der Kommunistischen Partei der Sowjetunion hat die Moskauer Führungsspitze in Alarmstimmung versetzt. Das Zentralkomitee der KPdSU wird eine Sondersitzung abhalten. Gorbatschow wertete am Donnerstag den Beschluß als neuen Ausdruck separatistischer Tendenzen im Lande sowie als große Gefahr für die KPdSU und den sowjetischen Vielvölkerstaat.

Das KPdSU-Politbüro erklärte in einer von Gorbatschow unterzeichneten Botschaft an die Delegierten des litauischen Parteitags, ihr Beschluß komme einem Austritt aus der sowjetischen KP gleich. Von den litauischen ZK-Mitgliedern hat allerdings niemand seinen Austritt aus dem ZK der KPdSU erklärt. Der am Donnerstag abend vom Landesparteitag in Wilna wiedergewählte Erste Sekretär der KP-Litauens, Algirdas Brazauskas, hat einen solchen Schritt als nicht notwendig bezeichnet.

Gorbatschow hat unmittelbar nach Bekanntwerden des litauischen Parteitagsbeschlusses mit Brazauskas ein Telefongespräch geführt. Vor Journalisten dementierte Brazauskas am Donnerstag abend Gerüchte, wonach Gorbatschow gedroht habe, das Kriegsrecht über Litauen zu verhängen. Der Sprecher der litauischen Gruppe im Kongreß der Volksdeputierten, Rimantas Kanapenes, sagte, Kapaunas habe ihm das Telefonat als „sehr schwieriges Gespräch“ geschildert. Im Kongreß der Volksdeputierten der UdSSR teilte Gornatschow mit, mehrere Dutzend Genossen hätten ihm geschrieben, daß sie die organisatorische Trennung der litauischen KP von der Gesamtpartei für den „Beginn einer Kettenreaktion“ hielten.