Kalter Krieg in Mittelamerika

Die Politik der USA auf dem Niveau des 19.Jahrhunderts  ■ K O M M E N T A R E

Ein Ende des kalten Krieges wird es unter der Bush -Administration nicht geben. Nichts anderes signalisiert die ramboeske Mittelamerika-Politik der US-Administration im Kampf gegen operettenhafte Kleindiktatoren, hyperkapitalistische Drogenbarone, schlagkräftige Befreiungsbewegungen und unbequeme „Commie„-Regierungen im Hinterhof Amerikas. Der kalte Krieg hatte immer zwei Elemente: die gegenseitige Bedrohung durch zwei expandierende Militärapparate und das gegenseitig eingeräumte Recht der beiden Supermächte, in den als eigene Einflußsphäre definierten Weltregionen ungestraft intervenieren und nach dem Rechten sehen zu können. Es war Gorbatschow, der als erster die Unhaltbarkeit dieses prekären und kostspieligen „Gleichgewichts“ erkannte - oder erkennen mußte. Die Sowjetunion versucht seitdem, Ernst mit der Abrüstung des aufgeblähten Rüstungsapparates zu machen und ihre Ordnungsrolle auf den Kern des Sowjetreiches zu beschränken.

Und was stellt nun die US-Administration dieser „Sinatra -Doktrin“ des eigenen Wegs für die ehemaligen Vasallenstaaten entgegen? Ein Gedanken-Konstrukt aus dem Jahre 1823, die Monroe-Doktrin, mit der der gleichnamige US -Präsident die Europäer aus der westlichen Hemisphäre fernhalten wollte und die Präsident Teddy Roosevelt dann in ein grundsätzliches Interventionsrecht der USA in Mittelamerika - und anderswo - umdefinierte. Amerika, so beweisen die 26.000 in Panama eingefallenen Yankee -Imperialisten, besteht auch in den 90er Jahren auf seiner Rolle als selbsternannte Geopolizei und stört sich einen Dreck daran, daß diese Haltung alle Chancen auf einen über Europa hinausreichenden Entspannungsprozeß zunichte machen wird.

Die Gründe dafür sind in der US-Innenpolitik der Noch -Gerade-Supermacht und im längst überholten Selbstverständnis der Beinahe-Demokratie USA zu suchen. Da ist zunächst ein Militärapparat, der die Forcierung regionaler Konflikte - und die anschließend demonstrierte Notwendigkeit, flexible Einsatztruppen in die Krisenherde auf die Philippinen oder nach Panama zu schicken - als letzte Chance zur eigenen Selbsterhaltung sieht. Welch ein Zufall, daß die militärische Hilfe für Cory Aquino, die erklärte Bereitschaft zum militärisch geführten Anti-Drogen -Kampf in Kolumbien und die Entmachtung des panamaischen Caudillo just in die Zeit vor den im Januar im US-Kongreß beginnenden Verhandlungen über die Reduzierung des Militärbudgets fallen.

Was sich in den 90er Jahren rächen wird, ist die politische Leichtfertigkeit, mit der US-Bürger - zu Zeiten, wo in Osteuropa Literaten und Gewerkschafter an die Macht kommen daheim mit George Bush einen Ex-Stasi ins Präsidentenamt gewählt haben. Während Amerika den Sieg der Demokratie in Osteuropa propagandistisch als Bestätigung der eigenen Ideale feiert, betreibt die Bush-Administration daheim die heimliche, aber gezielte Entdemokratisierung des Verwaltungsapparates. Dem FBI wird die völkerrechtswidrige Jagd von „Verbrechern“ im Ausland erlaubt, der CIA wird wieder ein größerer Spielraum als noch vor der Iran-Contra -Affäre zugestanden, und die Befehlsstruktur innerhalb der Streitkräfte wurde so vereinfacht, daß der Stabsvorsitzende General Powell zusammen mit George Bush den Einfall in Panama ohne Konsultationen mit den Oberbefehlshabern von Armee, Luftwaffe und Marine beschließen konnte.

Der Einfluß des US-Sicherheitsapparates auf Politik und Jurisdikton geht unter der Bush-Administration mittlerweile so weit, daß die CIA zusammen mit dem Obersten Staatsanwalt die juristische Weiterbehandlung und Aufdeckung des Iran -Contra-Skandals mit prozeduralen Einsprüchen verhindern kann. Diese jüngste Entwicklung bei den Iran-Contra -Prozessen beweist nur, daß General Noriega unter solchen Bedingungen in der Demokratie USA kein faires Gerichtsverfahren zu erwarten hätte. Wenn sie ihn denn überhaupt lebend haben wollen.

All dies - und die Tolerierung der jüngsten US-Intervention in Panama durch die amerikanische Öffentlichkeit sind nur aufgrund des spezifischen Demokratieverständnisses in den USA möglich. Demokratie ist danach ein Zustand, der in den USA seit ihrer Gründung herrscht und der fernen Diktaturen und Ex-Kolonien wie eine Pille verschrieben werden kann. Solange die Bush-Administration - wie die Reagan -Administration vor ihr - der amerikanischen Öffentlichkeit weismachen kann, daß überall dort, wo man wie in El Salvador wählen läßt, auch Demokratie ausbricht, wird sich an der US -Außenpolitik nichts ändern. Solange wird auch der kalte Krieg in Mittelamerika - und wo es den USA sonst noch beliebt - von der Bush-Administration ohne nennenswerte innenpolitische Kritik und außenpolitische Eindämmung durch die Sowjetunion fortgesetzt werden können.

Rolf Paasch