Israels Polizei gegen „Peace Now„-Bewegung

Brutaler Einsatz gegen TeilnehmerInnen einer Menschenkette um Ostjerusalem / Gummiknüppel, Wasserwerfer, Plastikgeschosse und Tränengas gegen friedliche Demonstration von 20.000 Israelis und Palästinensern / Sechzig Verletzte / Ausgangssperre im Gaza-Streifen  ■  Aus Jerusalem Amos Wollin

Sprecher der israelischen Friedensbewegung „Peace Now“ haben Vorwürfe gegen die Polizei erhoben, die am Samstag Gummiknüppel, Plastikgeschosse, Wasserwerfer und Tränengas gegen rund 20.000 TeilnehmerInnen einer Kundgebung in Jerusalem eingesetzt hatte. „Peace Now“ sprach von einer Überreaktion und einem brutalen Polizeieinsatz. „In 99 Prozent der Fälle, wo es zu Schwierigkeiten kam, war die Polizei dafür verantwortlich“, erklärte Zali Reshef, der Vorsitzende der Friedensgruppe.

Nach Angaben der Veranstalter wurden mindestens sechzig Personen bei dem Polizeieinsatz verletzt und 45 festgenommen. Davon waren sechzehn am Sonntag noch im Gefängnis. Eine Italienerin, Marissa Mano, wurde von einem Glassplitter getroffen und verlor ein Auge. Ranso Mafeh, einer der Organisatoren der italienischen Delegation, wurde angeschossen, als er versuchte, eine verletzte Palästinenserin zu einem Krankenwagen zu bringen. Zahlreiche Verletzte gab es auch am Hotel Pilgrims Palace, wohin auch ich mich gerettet hatte, als berittene Polizei und Wasserwerfer völlig unmotiviert ihren Angriff auf die Friedensdemonstranten starteten. Grenzpolizisten gingen vor allem gegen palästinensische Teilnehmer einer Menschenkette rund um die Altstadt von Jerusalem vor. Als wir auf dem Bürgersteig standen und „Wir wollen Frieden“ riefen, wurden wir mit Stöcken geschlagen und gerieten fast unter die Hufe der Pferde.

„1190-Jahr des Friedens

„Peace Now“ hatte im Rahmen einer ganzen Reihe von Aktivitäten im Zuge einer internationalen Friedenswoche zwischen Weihnachten und Neujahr zu der Menschenkette aufgerufen. „1990 - Jahr des Friedens“ lautete das Motto der Kundgebung. Neben Israelis und Palästinensern waren zahlreiche Gäste aus westeuropäischen Staaten mit von der Partie. Palästinenser aus den besetzten Gebieten durften an diesem Tag nicht nach Jerusalem fahren - offenbar um zu verhindern, daß die Demonstration noch größer wird.

Nach Angaben der Polizei griffen Sicherheitskräfte die Demonstranten an, nachdem Palästinenser mit Steinen geworfen hätten. Außerdem hätten einige palästinensische Fahnen geschwenkt. Die Zeitung 'Yediot Acharonot‘ berichtete demgegenüber, es seien erst Steine geflogen, nachdem die Polizei Wasserwerfer eingesetzt habe. Einigen Presseberichten zufolge erhielt die Polizei ihre Anweisungen von dem für arabische Beziehungen zuständigen Minister, Ehud Olmert (Likud), der der PLO vorwarf, Peace Now auszunutzen, um die Intifada in die Schlagzeilen zurückzubringen.

Dedi Zucker, Abgeordneter der oppositionellen Bürgerrechtspartei, sprach von provokativen und brutalen Prügeleien der Polizei. Der Oppositionspolitiker Uri Avneri, der den Einsatz der Sicherheitskräfte beobachtete, sagte, er habe sich „wie ein Araber“ gefühlt. Demgegenüber erklärte Teddy Kollek, Bürgermeister von Jerusalem, es gebe keinen Grund, in der Stadt zu demonstrieren, weil, „anders als in Osteuropa, Israel eine demokratisch gewählte Regierung hat“. Er schlug vor, Jerusalem solle eine Stadt ohne Demonstrationen werden.

Italien protestiert

Das israelische Kabinett erörterte am Sonntag den Polizeieinsatz. Die italienische Regierung protestierte unterdessen gegen den Polizeieinsatz und die Festnahme einer Italienerin am Freitag bei einem Friedensmarsch von etwa 3.000 Frauen in Jerusalem.

Die israelischen Behörden stellen am Montag einmal mehr den gesamten Gaza-Streifen mit seinen rund 750.000 Einwohnern unter Ausgangssperre. Nablus und Hebron in der Westbank wurden zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Damit sollten Aktionen am 25. Jahrestag der Gründung der Palästinenserorganisation Al Fatah unterbunden werden. Die Untergrundführung der Intifada hatte in ihrem fünfzigsten Flugblatt seit Beginn des Palästinenseraufstands vor zwei Jahren zu Demonstrationen an diesem Tag aufgerufen. Am Sonntag waren zwanzig Palästinenser im Gaza-Streifen durch Schüsse israelischer Soldaten verletzt worden. Lebensgefährlich getroffen wurde auch ein fünfjähriges Kind.

Nach Angaben des Israelischen Rundfunks sind in den letzten Tagen in verschiedenen Teilen des Landes Briefbomben aufgetaucht, die entschärft werden konnten. Die Briefe seien in Zypern aufgegeben worden. Unter dem Auto der Frau des stellvertretenden israelischen Ministerpräsidenten entdeckte die Polizei in der Nacht zum Montag eine Handgranate, aus der jedoch der Sprengstoff entfernt werden konnte.