Mehrparteiensystem in Litauen eingeführt

■ Gorbatschow wird in den nächsten Tagen nach Wilna reisen

Moskau/Berlin (dpa/taz) - Im Streit um die Schaffung eines Mehrparteiensystems in der UdSSR hat die baltische Republik Litauen einen weiterer Schritt vollzogen und außer der neuen selbständigen Kommunistischen Partei Litauens eine „Partei der Demokraten“ legalisiert. Einen entsprechenden Beschluß faßte am Jahresende der Oberste Sowjet der baltischen Republik, wenige Tage bevor Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow an der Spitze einer hochrangigen Parteidelegation aus Moskau nach Wilna reisen wollte, um die zwischen Moskau und den Litauern entstandenen Konflikte zu bereinigen. In Litauen gibt es bereits eine Sozialdemokratische Partei und eine Grüne Partei.

Litauen hatte den offenen Konflikt mit Moskau erst vor wenigen Wochen ausgelöst, als der Oberste Sowjet der Republik durch eine Verfassungsänderung die „führende Rolle“ der Kommunistischen Partei gestrichen und damit den Weg zu einem Mehrparteiensystem freigemacht hatte. Die Moskauer Führung hat bisher die Schaffung eines Mehrparteiensystems strikt abgelehnt. Zu einer weiteren Zuspitzung des Konflikts kam es, als die litauischen Kommunisten trotz massiver Warnungen aus Moskau beschlossen, sich von der KPdSU zu trennen und eine selbständige kommunistische Partei in Litauen zu schaffen. Daraufhin spaltete sich eine moskautreue Fraktion von der litauischen Partei ab. Seither existieren zwei kommunistischen Parteien in der baltischen Republik. Als Hauptziele der litauischen KP werden ein „unabhängiger und demokratischer litauischer Staat“, die Verwirklichung der Ideale eines menschlischen Sozialismus, Freiheit und soziale Gerechtigkeit gefordert. Man wolle mit anderen fortschrittlichen Parteien, Organisationen und Bewegungen partnerschaftliche Beziehungen unterhalten.

Gorbatschow hatte vor der Spaltung der litauischen KP gewarnt. Dies würde seiner Reformpolitik schaden. In einem Interview mit der taz vom 21.12. hatten Vertreter der kommunistischen Partei vor einer weiteren Verzögerung der Autonomiebestrebungen durch Moskau gewarnt. Gorbatschow werde an Popularität verlieren, wenn die Wirtschaftsreformen nicht zustande kämen. Die litauische KP fordert für die gesamte Gesellschaft die Lockerung der „zentralen Kommandowirtschaft“ und will die ökonomischen Probleme durch die litauischen Behörden selbst gelöst sehen.