Anwohnerinitiative: Fixer raus aus unserer Straße

■ Roonstraßen-Anlieger machen gegen neue Notunterkunft mobil: Seit Weihnachten finden 20 Rauschgiftsüchtige Obdach in Bremer Bürgerhaus

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, weiß schon Roland Kaiser. Wenn Deutschlands frauenherzensbrecherischster Schlagersänger recht hat, dann kommen auf die Anwohner der Roonstraße in der östlichen Vorstadt höchst unfriedliche Zeiten zu. Rund 80 Anlieger würden ihre neuesten Nachbarn nämlich lieber heute als morgen wieder wegziehen sehen.

Kurz vor Weihnachten, am 22.12., bezog abends rund ein Dutzend neuer Mieter eines der Bürgerhäuser direkt am Bahndamm. Was sie von ihren übrigen Nachbarn unterscheidet: Sie sind drogenabhängig und waren bis dahin obdachlos. Die meisten hatten in den Büroräumen des „Arbeitskreises Kommunale Drogenpolitik“ (AK Drogen) in der We

berstraße übernachtet. Angesichts klirrender Kälte und endloser Wartelisten bei Wohnungsvermittlungen hatte die Drogen-Selbsthilfeinitiative ihre Räume nachts als Notquartier für obdachlose Fixer zur Verfügung gestellt.

Umso erfreuter waren Initiativmitglieder und Drogenabhängige, Beirat, Behörde und Ortsamtsleiter, als die Sozialbehörde nach längeren Verhandlungen das Haus in der Roonstraße als Notquartier für drogenabhängige Obdachlose zur Verfügung stellte. Nur die Anlieger kamen völlig aus dem Mustopf, als kurz vor Heiligabend Matratzen und Decken in das leerstehende Haus geschleppt wurden. Der Krach war da, als sie auf einem Schild an der Eingangstür über die neuen Nachbarn erfuhren: „Kommunale

Drogenpolitik, Übernachtungs projekt von 22 Uhr bis 10 Uhr, Einlaß von 22 Uhr bis 2 Uhr“.

Kurz nach ihrem Einzug warben die Nutzer außerdem auf einem Flugblatt um Verständnis: „Wir sind bemüht, die Nachtruhe sowie auch die gesamte Ruhe der Straße nicht zu stören. Wir hoffen auf Ihr Verständnis und Ihre Toleranz für dieses Projekt.“ Vergebens. Gleich nach den Feiertagen trafen sich rund 50 Anlieger in einem privaten Wohnzimmer zu einer ersten Anliegerversammlung. In einem offenen Brief wurde die „sofortige Schließung des Obdachlosenasyls für Drogenabhängige“ gefordert.

Besonders sauer sind die Anwohner über die „Nacht-und Nebelaktion“, mit der die Notunterkunft eingerichtet wurde. Allerdings: Ob sie bei einer frühzeitigen Beteiligung an der Planung mit ihren neuen Nachbarn einverstanden gewesen wären, ist fraglich. Ihre Befürchtung: Mit den Schlafplätzen für Fixer kommen auch die Dealer, die Prostituierten, die Freier in ihre Straße. Auf einer Unterschriftenliste protestieren inzwischen die ersten 60 Unterzeichner dagegen, „zum Bestandteil der Drogenszene mit all ihren schrecklichen Folgeerscheinungen“ zu werden.

Annegret Kück, Sprecherin einer inzwischen gegründeten Bürgerinitiative, macht sich außerdem Sorgen um die Gesundheit ihrer Kinder. Für die dfreifache Mutter ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie ihre Sprößlinge beim

Spielen mit gebrauchten Heroin-Spritzen erwischt.

Kück spricht damit aus, was selbst Anwohner befrüchten, „die sich an dem jetztigen Kesseltreiben gegen die Drogenabhängigen auf keinen Fall beteiligen wollen“. Ein junger Vater, der „damit leben kann, wenn ein paar Häuser weiter ein paar Fixer wohnen“: „Ich hab jetzt schon zweimal Spritzen auf der Straße gefunden. Das muß nicht sein und das kann auch nicht sein.“

Startprobleme räumt auch der 1. Vorsitzende des AK Drogen,

Klaus Schuller, ein. Schuller: „Wir mußten schließlich unter größtem Zeit-und Problemdruck eine akzeptable Lösung finden.“ Nachts seien zwar ständig ein oder zwei hauptamtliche Betreuer für die 15 bis 20 Notbett-Nutzerda. Tagsüber sind die Bewohner bislang aber zeitweilig auf sich allein gestellt. In Zukunft sollen sich Honorarkräfte um die Bewohner kümmern.

Ob die aufgebrachten Anlieger damit zu besänftigen sein werden, ist zweifelhaft. Sie wollen nicht nur weitere Protestbriefe an Se

nat, Beirat, Polizeipräsidium und Ortsamtsleiter schreiben, sondern auch eine Klage gegen das „Obdachlosenasyl“ anstrengen. Ortsamtsleiter Hucky Heck sieht der gelassen entgegen: „Die Roonstraße ist bislang von sozialen Problemen fast völlig verschont geblieben. Jetzt müssen die Anwohner eben lernen, daß gesellschaftliche Konflikte auch vor ihrer Haustür nicht halt machen.“ Angebot des Ortsamtsleiters: Auf einer Einwohnerversammlung gemeinsame Lösungen finden.“

K.S.