Olympia 2000: Ost-Berlin spielt mit

■ Olympiade in Gesamt-Berlin: DDR-Regierung und Ostberliner Bürgermeister jetzt aufgeschlossen / Demnächst Gespräche zwischen Senat und Ost-Berlin

Ost-Berlin hat den Ball zurückgespielt. Sympathie für den Senatswunsch, demnächst Olympische Spiele in Gesamt-Berlin auszurichten, haben jetzt auch der Ostberliner Magistrat und der DDR-Ministerrat geäußert. „Man kann für diesen Gedanken Sympathie entwickeln“, erklärte gestern auf taz-Anfrage Wilfried Poßner (SED-PDS), der für Sport zuständige Staatssekretär im DDR-Ministerrat. „Wir werden uns dieser Idee jetzt intensiver annehmen müssen“, versicherte er. Honecker hatte eine Berliner Olympiade stets abgelehnt und statt dessen Leipzig favorisiert, ein Vorschlag, der nun im Ostberliner Sportstaatssekretariat als „Unsinn“ abqualifiziert wird.

Olympia-Begeisterung hatte gestern bereits der Ostberliner Oberbürgermeister Erhard Krack (ebenfalls SED) in einem Interview der DDR-Zeitung 'Junge Welt‘ gezeigt. „Wir sollten in der nächsten Zeit diesem Gedanken viel Raum widmen“, sagte Krack, „damit wir am Ende dieses Jahrtausends die Sehnsucht, hier Olympische Spiele auszutragen, tatsächlich stillen können.“ Staatssekretär Poßner versprach gestern auf taz-Anfrage, das Olympia-Projekt jetzt „auf Machbarkeit hin zu überprüfen“.

Bisher war das Thema Olympia kein Thema in den Gesprächen zwischen West- und Ost-Berlin. Der Senat sei noch „dabei“, so der Westberliner Sportstaatssekretär Kuhn (AL) zur taz, einen Termin mit Poßner und dem Magistrat zu vereinbaren. Die Zeit drängt, denn als Olympia-Termin favorisiert der Senat mittlerweile nicht mehr das Jahr 2004, sondern schon das Jahr 2000. Nur dann, so glaubt Kuhn, hat Berlin eine größere Chance, das Spektakel an Land zu ziehen. 1992/93, wenn das Internationale Olympia-Komitee IOC die Entscheidung für 2000 treffen müsse, sei die Stimmung für die Doppelstadt Berlin nämlich noch „günstig“, spekuliert der Staatssekretär. 1997 dagegen - in diesem Jahr trifft das IOC die Wahl für Olympia 2004 - wäre Berlin in der Weltöffentlichkeit längst wieder eine normale Stadt wie andere auch. Voraussetzung für eine „Olympiade 2000“ in Berlin ist allerdings, daß 1996 nicht Athen, sondern eine außereuropäische Stadt der Austragungsort wird. Andernfalls kommt im Jahr 2000 unweigerlich ein anderer Kontinent an die Reihe. In diesem Herbst trifft das IOC seine Wahl für 1996; glaubt man Kuhn, dann wird dort schon entschieden, ob Senat und Magistrat überhaupt eine Chance haben, die Olympiade in die Stadt zu holen.

Bis zum Herbst, so hofft Kuhn, könnten Senat (West) und Magistrat (Ost) ein abgestimmtes Olympia-Konzept vorlegen. Eine Machbarkeitsstudie, die der Senat in wenigen Wochen vorlegen will, könnte in den nächsten neun Monaten durch Ostberliner Studien ergänzt werden, meint der Sportpolitiker.

Kuhn verriet gestern erste Ergebnisse der Senatsstudie, die bisher nur Aussagen für West-Berlin macht. Alte und neue Sportstätten sollten sich demnach an drei potentiellen Zentren konzentrieren: Rund um das Olympia-Stadion, auf dem Messegelände und am Schöneberger Autobahnkreuz. Das funktionslose Autobahnkreuz könnte zugunsten eines neuen Sportpalastes teilweise abgerissen werden, meint der Staatssekretär. Auch die Alliierten müßten Federn lassen. So wünscht sich der AL-Politiker, daß die britischen Truppen ihr Hauptquartier am Olympiastadion räumen. Auf dem amerikanisch verwalteten Flughafen Tempelhof könnte das Olympische Dorf gebaut werden, das nach den Spielen dann als Wohnsiedlung für 15.000 Menschen zur Verfügung stünde. Wahlweise, so Kuhns Alternativen zu Tempelhof, könnten die Franzosen ihr Quartier Napoleon räumen - oder die Russen ihre Kasernen in Staaken/DDR, die 1936 ursprünglich als Olympia-Dorf errichtet wurden. Was die Finanzierung angeht, ist dem Staatssekretär nicht bange. Er rechnet - nach ähnlichen Erfahrungen in anderen Städten - damit, daß die Olympiade einen Überschuß von zwei Milliarden Mark erwirtschaften wird. Mit diesem Geld ließe sich auch der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel fördern.

hmt