Schlechtes Omen für 1990

■ Zur jüngsten Regierungskrise in Israel

Der israelische Ministerpräsident Jizchak Schamir hat mit der Entlassung Ezer Weizmanns zum Jahresende ein schlechtes Omen für 1990 gesetzt. Mittlerweile ist die Regierungskrise zwar wieder beigelegt, doch das Vorgehen gegen den umstrittenen Minister, dem seine Kontakte zur PLO vorgehalten wurden, zeigt, daß alte Feindbilder und Schemata weiterhin die Politik in Jerusalem bestimmen werden. Neues Denken, in Osteuropa viel bejubelt und beschworen, ist dort noch nicht eingezogen.

Von Schamir stammt das Wort, er würde lieber mit dem Teufel reden als mit der PLO. Gefallen ist diese Äußerung nicht etwa zu Hochzeiten des bewaffneten Kampfes der Palästinenser, sondern im November letzten Jahres - zwölf Monate, nachdem die PLO die Existenz Israels anerkannt hat. Doch politische Probleme lassen sich nun mal nicht an den Betroffenen vorbei lösen. Daher ist Weizmann auch kein weltfremder Idealist, sondern ein Realpolitiker. Es ist sein Verdienst, an einem Grundkonsens der israelischen Politik gerüttelt zu haben, der lautet: Nein zu Gesprächen mit der PLO. Das erfolgreiche Krisenmanagement in Jerusalem - auch an die Adresse Washingtons und Kairos gerichtet - zeigt, daß hier vorerst mit keinerlei Änderung zu rechnen ist. Selbst die Arbeiterpartei, deren Mitglied Weizmann ist, konnte sich bislang nicht zu einem klaren Votum für Verhandlungen mit der PLO durchringen. So konnte Schamir sich letztendlich durchsetzen - mit Rückendeckung von Falken im anderen Lager wie Verteidigungsminister Jizchak Rabin. Die große Koalition hat es wieder einmal geschafft, den grundsätzlichen Fragen aus dem Weg zu gehen.

Doch dieser bequeme Weg, der sich auch mit Stagnation als Mittel der Politik umschreiben läßt, könnte für Israel eine höchst unerfreuliche Kehrseite haben. Zwei Jahre nach Beginn der Intifada lassen politische Schritte, die diesen Namen verdienen, immer noch auf sich warten. Die Frustration unter den Palästinensern in den besetzten Gebieten und der PLO -Führung in Tunis wächst. In einer Zeit, in der international die Zeichen auf Ausgleich stehen und arabische Staaten wie Syrien und Libyen zu gemäßigteren Positionen gedrängt werden, riskiert die israelische Führung mit ihrer destruktiven Unnachgiebigkeit einen zunehmenden Radikalismus in Palästina. Der Fall Weizmann ist dafür nur das jüngste Beispiel.

Beate Seel