Das Ende der Währungsvielfalt

Dollarisierung und D-Markisierung der Weltwirtschaft  ■ K O M M E N T A R E

Eine Prognose sei erlaubt: Gab es bis in die jüngste Zeit noch nahezu genausoviel nationale Währungen wie politisch souveräne Staaten in der Weltwirtschaft, so wird im Laufe der neunziger Jahre die Zahl nationaler Währungen drastisch zurückgehen. Anders als noch bis vor kurzem erwartet wird diese Entwicklung aber weniger von der geplanten Schaffung einer gemeinsamen westeuropäischen Währung als von einer krisenhaften Umstrukturierung der Weltwirtschaft vorangetrieben werden, bei der neu über die Gewinner und Verlierer entschieden werden wird. Erste Indizien für eine solche Entwicklung liegen bereits vor.

Der radikalste Coup wird gegenwärtig von der Menem -Regierung in Argentinien vorbereitet, die angesichts einer fünfstelligen Inflationsziffer und einer rapiden Abwertung des Austral den US-amerikanischen Dollar offiziell zur zentralen Rechnungs-, Zahlungs- und Vermögenseinheit machen will. Nicht ganz so radikal, aber dennoch einschneidend, dürfte sich die Entscheidung Jugoslawiens auswirken, den durch einen Währungsschnitt geschaffenen neuen Dinar an die D-Mark zu koppeln und damit Mitglied des bislang westeuropäischen DM-Clubs zu werden. In Polen wiederum wird trotz verzweifelter Abwertungen des Zloty zur Wahrung währungspolitischer Souveränität die seit langem bestehende Dollarisierung der Ökonomie durch eine rapide voranschreitende D-Markisierung komplettiert. Und in der DDR bemüht sich die Modrow-Regierung durch ein ganzes Maßnahmenbündel, zu dem auch die jüngste Erlaubnis zur Führung von DM-Konten durch DDR-Bürger gehört, die fortschreitende Substitution ihres eigenen Geldes durch die D-Mark zu unterbinden.

Bei all diesen und noch vielen weiteren Fällen geht es um nichts weniger als um die geldpolitische Durchdringung abhängiger Ökonomien durch die kapitalistischen Kernländer und damit auch um die Einschränkung wirtschaftspolitischer Handlungsspielräume und nationaler Souveränität der weltwirtschaftlichen Peripherie. Anders als im Projekt der gemeinsamen westeuropäischen Währung ist allerdings dieser Substitutionsprozeß nationaler gegen internationale Währungen nicht von entsprechenden politischen Kontroll- und Regulierungsmechanismen begleitet, die die ökonomischen wie sozialen Auswirkungen steuern könnten. Auf die faktischen Löhne und Preise, die sektorale Aufteilung der Produktionsressourcen und die letztliche Einkommensverteilung haben bei einer solchen Entwicklung nicht die demokratisch legitimierten nationalen Institutionen, sondern die geldpolitischen Instanzen und Vermögensbesitzer der Kernländer des Kapitalismus den bestimmenden Einfluß. Die Reduktion der Währungsvielfalt erfolgt nach dem rigiden Prinzip ökonomischer Macht, demzufolge der das Sagen hat, der bezahlt. Der in den achtziger Jahren zu verzeichnende Siegeszug der politischen Demokratie in vielen Regionen der Welt wird in den neunziger Jahren mit einem ökonomischen Totalitarismus zu bezahlen sein.

Kurt Zausel