US-Bergarbeiterstreik beendet

Kompromiß nach neunmonatigem Streik der United Mineworkers (UMW) im Bundesstaat Virginia  ■  Von Rolf Paasch

Bergarbeiter im Gewerkschafts-Hauptquartier von Castlewood im amerikanischen Bundesstaat Virginia gaben sich erleichtert. Nach neunmonatigem Streik gegen den Bergbaukonzern Pittston, nach 3.000 Festnahmen durch die Polizei und nach von US-Richtern auferlegten Geldstrafen in Höhe von 63 Mio. DM scheint den Mitgliedern der „United Mine Workers“ (UMW) im Appalachengebirge fast jeder Kompromiß recht. Auch wenn die Einzelheiten des jetzt durch die Vermittlung des US-Arbeitsministeriums zustande gekommenen Abkommens der Öffentlichkeit noch nicht bekannt sind, feierte Bergarbeiterchef Richard Trumka den mit Pittston vereinbarten Kompromiß als „Sieg für die gesamte Arbeiterbewegung“.

Die UMW hatte den größten Kohleexporteur der USA seit dem 5.April bestreikt, nachdem der Pittston-Konzern 1988 aus den nationalen Tarifverhandlungen ausgestiegen war und die Kumpel 14 Monate ohne gültigen Tarifvertrag weitergearbeitet hatten. Im Zentrum des Arbeitskampfes stand seitdem die Weigerung von Pittston, weiterhin die Beitragszahlungen für den gewerkschaftlichen Renten- und Krankenversicherungsfonds zu leisten. Pittston begründete seine Weigerung damals mit dem Verlust seiner internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch die hohen Kosten für die Krankenversicherungsbeiträge seiner Mitarbeiter. Nach Schätzungen von Experten hat der Konzern durch den neunmonatigen Arbeitskampf Verluste von insgesamt 60 Mio. Dollar hinnehmen müssen.

Für die Bergarbeitergewerkschaft stellte der Austritt des Bergbaukonzerns aus den nationalen Tarifverhandlungsstrukturen und dem Versicherungsfonds eine Unterhöhlung der in den 50er Jahren erkämpften Krankenversicherungs- und Pensionsrechte dar. Und auch für den Dachverband AFL-CIO hatte der Arbeitskampf große Bedeutung, da in den USA derzeit auch Unternehmen in anderen Industriezweigen eine Abwälzung von Krankenversicherungskosten auf die Arbeitnehmer durchzusetzen versuchen. Noch im September hatte sich AFL -CIO-Präsident Lane Kirkland auf einem Streikposten in Virginia symbolisch von der Polizei festnehmen lassen, die im Verlauf des erbitterten Arbeitskampfes ganz im Interesse des bestreikten Bergbaukonzerns gehandelt - und verhaftet hatte.

Trotz der gewalttätigen Konfrontationen eines Arbeitskampfes, dessen Militanz oft an die Streiks der 30er Jahre erinnerte, nahm die US-Medienindustrie von dem Arbeitskampf kaum Notiz. Mitglieder der amerikanischen Arbeiterklasse, so faßte die Soziologin Barbara Ehrenreich die nichtexistente Streikberichterstattung der etablierten Medien zusammen, kämen im US-Fernsehen auch weiterhin nur als Opfer von Verbrechen oder als Teilnehmer von Quizshows, nicht aber in der Politikberichterstattung oder gar als streikende Subjekte vor.

Ob das den Bergarbeitern in den nächsten Tagen vorgelegte Abkommen für die amerikanische Gewerkschaftsbewegung das Ende der trüben 80er Jahre signalisiert oder den ersten Erfolg einer neuen, betont militanten Streikstrategie darstellt, wird sich erst nach dem Bekanntwerden der genauen Vereinbarungen und dem Votum der 1.900 streikenden Bergarbeiter in den Bundesstaaten von Virginia, West -Virginia und Kentucky einschätzen lassen.