Augstein und taz im Zeugenstand

■ Im Startbahn-Prozeß will die Verteidigung den 'Spiegel'-Herausgeber und taz-Mitarbeiter als Zeugen

Frankfurt (taz) - Die Verteidigung im Startbahn-Prozeß vor dem Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht Frankfurt will den Herausgeber des Nachrichtenmagazins 'Spiegel‘, Rudolf Augstein, und zwei taz-MitarbeiterInnen als Zeugen laden. Die Vernehmung Augsteins „soll beweisen, daß ein Interview mit Autonomen in einer Ausgabe des 'Spiegel‘ aus 1986, daß unter anderem den Angeklagten zugerechnet wird, gefälscht wurde und daß es nie stattgefunden hat“, erklärte Rechtsanwalt Scherzberg zur Begründung. Die beiden taz -MitarbeiterInnen sollen zu einem Interview in der taz vom 23.7.1986 vernommen werden. Eine „Cora“ und ein „Andy“ hatten in dem Artikel detailliert zum Strommastsägen berichtet. Die Bundesanwaltschaft vermutete bislang hinter den Interviewten Angeklagte aus dem Startbahn-Verfahren, bei „Andy“ solle es sich um Reiner H. handeln. Dieses Interview sei ebenfalls fingiert und habe nie stattgefunden.

Bereits im vergangenen Jahr war das entsprechende Gespräch im Buch Zehn Jahre taz als „Faction“ ausgewiesen worden. Die Bundesanwaltschaft, die in einem Gespräch mit der Frankfurter taz-Redaktion Ende Dezember 89 noch an dem Interview festhielt, schwenkte nach dem Beweisantrag um: Es sei als wahr und demnach erwiesen anzunehmen, daß das Gespräch nicht stattgefunden habe und in der taz statt dessen eine als Flugblatt kursierende Anleitung zum „Abbau von Strommasten der Atommafia“ in Interviewform wiedergegeben worden sei. Sollte sich der 5. Strafsenat dieser Meinung anschließen, würde sich eine Vernehmung erübrigen. Aufgrund des Interviews hatten die Sicherheitsbehörden seinerzeit erfolglos ein Ermittlungsverfahren gegen die taz eingeleitet.

Die Vorbereitungen zur Abtrennung der 129a-Verfahren („Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“) gegen Andreas S., Reiner H. und Ina T. liefen gestern mit Vernehmungen zur Person an. BAW-Sitzungsvertreter Oberstaatsanwalt Klaus Pflieger kündigte an, daß für Reiner H. auch eine Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Betracht käme. Bei Andreas S. sei eine Verurteilung wegen der „Rädelsführerschaft“ in einer „terroristischen Vereinigung“ möglich. Bislang hatte die BAW dem Wiesbadener lediglich die Autorenschaft mehrerer Bekennerschreiben der RZ unterstellt.

M.B.