Stimmen der Opposition

■ Linke und christliche Gruppen analysieren die Lage des Landes nach der US-Invasion

„Volk von Panama, es ist an der Zeit, den patriotischen Widerstand gegen die militärische Barbarei der Yankees zu organisieren und uns für einen langen und schwierigen Kampf zu rüsten, bis der letzte Interventionssoldat von unserem Territorium vertrieben ist.“ Dieser Aufruf entstammt dem Kommunique der „Befreiungsbewegung 29.November“ (MLN-29-XI), einer relativ kleinen, revolutionären Gruppe, die schon den populistischen General Torrijos von links kritisiert hat. Die Stimmen des Protestes gegen die allen Prinzipien des Völkerrechtes spottende Intervention sind in Panama jedoch dünn gesät. Eine tiefverwurzelte Bewunderung für die Macht, die seit der Staatwerdung Panamas im Jahre 1903 im Lande präsent gewesen ist, läßt in breiten Bevölkerungsschichten Kritik an der blutigen Militäraktion gar nicht erst aufkommen.

„Noriega selbst hat Mitschuld, daß die Yankees hier so populär sind“, meint ein Aktivist der MLN-29-XI, „schließlich hat er jahrelang gemeinsame Manöver mit den US -Truppen veranstaltet und allen Leuten damit bedeutet, daß das unsere Freunde sind.“ „Das Problem ist der Mangel an wirklichen Optionen für das Volk“, glaubt ein Priester im dichtbesiedelten Unterschichtsviertel San Miguelito. Zwischen den beiden Polen, nämlich der korrupten Noriega -Clique mit ihren nationalistischen Parolen und der US -hörigen Oppositionskoalition, die jetzt die Regierung stellt, wurden dem Volk keine Alternativen offeriert.

„Die Begeisterung einiger Bevölkerungsschichten ist schmerzhaft, aber verständlich“, erklärt Dr. Carmen Miro, die an der Nationaluniversität Demographie unterrichtet: „Die Leute haben lange gelitten, Arbeitslosigkeit und Mangel an Freiheiten erduldet.“ Frau Miro arbeitet in einem Zirkel fortschrittlicher Intellektueller, die alle über den Mangel an politischem Bewußtsein im Volk bestürzt waren. In einem gemeinsamen Kommunique versuchen an die 20 christliche und linke Organisationen, die sich zur „Nationalen Koordinationsstelle für Unterstützung und Solidarität“ zusammengeschlossen haben, die Situation zu analysieren. „Das Volk von Panama, vor allem die Armen und die Arbeiter, haben die Krise am unmittelbarsten zu spüren bekommen“, heißt es darin, „ausgehungert durch die Blockade der USA und die falsche Wirtschaftspolitik Noriegas, geschlagen von der Repression im Inneren und ausgeblutet durch die ausländische Invasion. Es ist nicht verwunderlich, daß viele Gruppen unter diesen Umständen die Invasion anfangs begrüßten, obwohl viele die Auswirkungen dieser extremen Maßnahme der USA erkennen.“

Für Carmen Miro ist die Intervention nicht nur eine barbarische Vergewaltigung ihres Landes, sie ist auch vom Standpunkt der USA kaum zu rechtfertigen. Denn von den vier vorgeblichen Zielen der Militäroperation - Schutz von US -Bürgern, Rettung der Demokratie, Schutz der Kanalverträge und Gefangennahme Noriegas - sei kein einziges erfüllt worden: „Es sind viel mehr US-Amerikaner umgekommen, als wenn es keine Intervention gegeben hätte; in einem militärisch besetzten Land kann es keine Demokratie geben.“ Noriega ist entkommen, und die Kanalverträge sind durch die Invasion zu wertlosem Papier geworden. Denn die panamaische Armee, die laut den Torrijos-Carter-Verträgen zum Schutz des Kanals verpflichtet ist, wurde rettungslos zerschlagen. Die Polizeikräfte, die jetzt an ihrer Stelle aufgebaut werden sollen, sind kein gleichwertiger Ersatz.

rld