Blumen für die Yankee-Invasoren

■ Panamas Bevölkerung nimmt die US-amerikanischen Besatzungstruppen als notwendiges Übel hin

Guillermo Endara, Panamas neuer Präsident von Washingtons Gnaden, bedrängt den Vatikan, den in die apostolische Nuntiatur geflüchteten Ex-Diktator Noriega an die USA auszuliefern. Noch zeigt sich der Vatikan standhaft, der Papst hat einen Sondergesandten zum Verhandeln losgeschickt. Inzwischen sind die ersten 141 der insgesamt rund 24.000 Mann starken Besatzungsmacht abgezogen; sie haben zwischen ein- und zweitausend Opfer unter der Bevölkerung zurückgelassen. Diese empfindet die Operation als angemessen, obwohl die „Gringos so schnell wie möglich verschwinden sollten“.

Die Kaserne von Chorrillo ist zum Wallfahrtsort geworden. Viele Familien nutzten den Neujahrstag, um das zerbombte Gebäude, die traurigen Überreste des einstigen Zentrums der Macht, aus der Nähe zu bestaunen. Der ganze Straßenblock samt der verkohlten Trümmerfelder, die von den umliegenden Wohnhäusern übriggeblieben sind, ist für den Verkehr gesperrt. US-Soldaten haben vor dem ehemaligen Sitz General Noriegas Aufstellung genommen und lassen sich bereitwillig mit den geschminkten Mädels in engen Jeans ablichten.

Es liegt noch immer ein leichter Leichengeruch über den Mauerresten. Eine gebrechliche Nachbarin, die nicht schnell genug laufen konnte, sei im Bombenhagel umgekommen, erzählt die Schneiderin Mireya Taylor. Dennoch erscheint ihr die Operation nicht unangemessen: „Es war höchste Zeit, daß sie kamen.“ Die mehrheitlich schwarze Bevölkerung, die den Bezirk Chorrillo im alten Stadtkern bewohnt, gehört zum unteren Ende der sozialen Pyramide. Chorrillo wurde stets als Hochburg des Torrijismus betrachtet, jener Mischung aus militärischem Reformismus und populistischer Weihnachtsmannpolitik, die nicht zuließ, daß ein Armer verhungerte. „Es stimmt schon, hier hat die Regierung eine authentische Basis gehabt“, berichtet die 35jährige Manuela Gonzalez, die sich selbst dazuzählt. Doch unter Noriega sei diese Basis immer dünner geworden. Sie selbst hat bei den Wahlen im vergangenen Mai einen ungültigen Stimmzettel abgegeben. Diese Wahlen und die darauffolgende Radikalisierung des Regimes sind für Manuela ein Wendepunkt gewesen: „Die Leute haben erkannt, daß ihr Wille nicht respektiert wird.“ Die Repression, von der die Opposition soviel sprach, hat sie nicht verspürt: „Was uns das Leben schwer gemacht hat, war die Wirtschaftskrise.“ Die hatte sich drastisch verschärft, seit die USA Panama mit Embargo und anderen Sanktionen belegten, um Noriega in die Knie zu zwingen. Für die Leute in Manuelas Bekanntenkreis war klar: „Solange Noriega an der Macht ist, kann es nicht besser werden. Es wäre besser gewesen, wenn man ihn auf andere Weise abgesetzt hätte. Aber offensichtlich war das der einzige Weg“, sinniert sie.

Selbst der Schuster Alberto Lopez, der während des Bombenangriffs seinen Bruder und seine zwei kleinen Neffen verlor, will die Invasion nicht verurteilen. „Es ist halt ein Malheur, daß dabei so viele Leute umkommen mußten“, verkündet der erklärte Anhänger der Christdemokratischen Partei. Differenziertere Stimmen, die zwar den Diktator verurteilen, aber die Intervention als unzulässige Vergewaltigung des Landes zurückweisen, gibt es kaum. „Ich habe Schwierigkeiten mit meinen Predigten, weil die Leute meine Kritik nicht hören wollen“, klagt ein Priester der Volkskirche aus dem Arbeitervorort San Miguelito. Überhaupt sei das politische Bewußtsein der Panamaer kaum entwickelt: „Werte wie Souveränität und Selbstbestimmungsrecht, die lange Zeit en vogue waren, werden wie Hüte abgelegt.“

„Thank you USA“, ist im Stadtteil Santa Ana an eine hölzerne Hauswand gepinselt. Zwei rotgesichtige GIs koordinieren dort den Abtransport von Abfällen, die sich in den chaotischen letzten Tagen des Jahres angesammelt haben. Die jungen US-Amerikaner, erstmals in ihrem Leben in eine Rolle der Autorität versetzt, genießen ihre Popularität. „Take my picture“, ruft ein schwarzer Soldat aus Wilmington, North Carolina, gutgelaunt. Er findet Panama ganz toll. Die Marihuana- und Kokaindealer in Chorrillo haben unter den Besatzungssoldaten längst Freunde und Kunden gewonnen. Wenn sich die US-Amerikaner einen Joint in die Lunge oder eine Prise in die Nase ziehen, stoßen sie sich auch nicht an dem offenkundigen Widerspruch, daß sie Noriega angeblich wegen dessen Drogenverbindungen gestürzt haben.

Am Montag wurde mit großer Publizität verkündet, daß die ersten 250 der 25.000 Mann starken Invasionsarmee den Heimflug angetreten haben. Nämlich eine Artillerieeinheit mit ihren schweren Geschützen, die nur gebraucht wurden, solange ganze Kasernen Widerstand leisteten. An ihrer Stelle ist aus den USA eine Gruppe von Offizieren einer Spezialeinheit für psychologische Operationen eingetroffen. Die Soldaten, die sich in Zivil unter die Menge mischen sollen, haben die Aufgabe, gute Stimmung zu verbreiten und allen Panamaern, denen die blutigen Szenen der ersten Tage noch zu lebhaft in Erinnerung sind, die Unvermeidlichkeit und die Vorteile der Invasion nahezubringen.

Ralf Leonhard, Panama