„WIR PASSEN NICHT NEBEN TULPEN!“

■ Gespräch mit der Bildhauergruppe „Odious“ zum geplanten Anbau der Buga neben ihrem Atelier

taz: Seit 1987 habt ihr euer Atelier in einer ehemaligen Lagerhalle am Humboldthafen. Was bedeutet für euch das Gelände?

Odious: Gerade der etwas morbide Zustand, das Schäbige und das Zerstörte, animiert uns alle besonders. Das ist ein Teil unserer Arbeit. Dazu gehört auch die Atmosphäre: die Lage am Wasser, die nahe Grenze zu Ost-Berlin und die abgebrochenen Brückenpfeiler. Das war und ist ein Stück Geschichte, ein Relikt ehemaliger Industriekultur, das übriggeblieben ist. Für uns geht davon eine starke Stimmung aus. Wenn das mit Blumenbeeten und einem Stahl-Glasbau aufpoliert wird, geht ein weiterer Teil der Geschichte des früheren Zentrums verloren.

Wie seid ihr auf das Gelände gestoßen?

Im Frühjahr 1987 erhielten wir den Hinweis, daß die Halle frei werden würde, das Gebäude aber abgerissen werden sollte, weil es so häßlich war. Es stand zum Abschuß auf der Schandfleck-Liste. Wir wandten uns an das Bezirksamt Tiergarten mit der Bitte, das Gebäude nicht zu zerstören, sondern es uns als Atelier zu überlassen. Nach einigem Hin und Her mit dem Gartenbauamt und dem Baustadtrat ließ sich schließlich der Volksbildungsstadtrat von unserem Vorschlag überzeugen. Bedingung war, daß das Gelände der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Es war geplant, den Mendelssohn-Pfad hier vorbeizuführen. Wir wollten das Gebäude vorsichtig renovieren und das Gelände wie das alte Kopfsteinpflaster und die Schienen - für den Wanderweg erhalten. Außerdem wollten wir das gesamte Grundstück, als Ort einer großen Freilichtgalerie, nicht allein der Öffentlichkeit, sondern gerade Berliner Bildhauern zur Verfügung stellen, die mit ihren Plastiken dem Platz eine zusätzliche Ausstrahlung geben könnten. Ausstellungen, Lesungen und Musikveranstaltungen haben in der Halle schon stattgefunden.

Die Bundesgartenschau möchte ihren Verwaltungstrakt direkt an das bestehende Gebäude anbauen, wodurch ihr euch in eurer Existenz gefährdet fühlt. In welcher rechtlichen Position seid ihr?

Seit 1987 verhandeln wir mit dem Bezirksamt über einen Mietvertrag. Das bedeutet, unser augenblicklicher Status entspricht dem einer Duldung. Und solange wir den Vertrag nicht haben, besteht die Gefahr, daß die Geschäftsführung der Buga, sollte sie hier anbauen, uns die Miete diktieren kann. Außerdem lagert unser Arbeitsmaterial lagert auf diesem Gelände - also einem Grundstück des Landes Berlin obwohl es da nicht liegen dürfte. Trotzdem muß es so sein. Wenn hier nun alles schön frisiert werden würde, mit Blumen, Rabatten und Wegen etc., könnte man uns zwingen, alles auszulagern. Dadurch entstünden zusätzliche Kosten für ein Lager und den jeweiligen Transport.

Wurde mit euch über den geplanten Anbau gesprochen?

Wir meinen, daß zu dem Zeitpunkt, als wir davon hörten, schon feststand, daß auf diesem Gelände gebaut werden soll. Und als eines Morgens Frau Schreyer und der Buga -Geschäftsführer Herr Gottfriedsen mit einem Bus voller Presseleute hier auftauchten und denen erzählten: Hier machen wir das und das, war uns klar, daß hier gebaut werden wird. Später rannten hier auch Architekten herum. Das waren wahrscheinlich die, die ein Gutachten zur Bebauung zu erstellen haben. Also: Alles war gelaufen. So eine Verfahrensweise kotzt uns an; zu sagen: das ist so, und ihr habt euch danach zu richten. Jetzt durften wir gerade als Sachverständige im Gutachterverfahren des Architektenwettbewerbs für das Gelände über unser eigenes Schicksal richten. Es ist grotesk.

Aber niemand will euch vertreiben, so sagen jedenfalls der Bezirk, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschmutz inclusive der Buga-Verwaltung. Wo also liegt, außer den Kosten, das Problem?

Das Problem sind die Bedingungen. Keiner erzählt uns, zu welchen Bedingungen wir hier arbeiten und ausstellen dürfen. Herr Gottfriedsen sagt sogar: „Odious paßt in das Konzept der Buga!“ Aber er sagt natürlich nicht wie. Allein die praktischen Probleme werden so groß werden - die Verwaltungsarbeit, das Informationszentrum, die Besucher, ein Fährverkehr soll eingerichtet werden - daß unsere Arbeit da nur noch stört. Außerdem sind wir dreckig und laut. Wir passen nicht neben Tulpen. Solange nicht klipp und klar gesagt wird, wie man sich das vorstellt, haben wir die Befürchtung, daß man uns auf kaltem Wege hier rausholt. Erst mal müssen wir richtig Miete zahlen, dann dürfen wir den Schrott auf dem Gelände nicht mehr lagern, weil da die Blumen stehen, und die Plastiken müssen weg, da dort die Parkplätze angelegt werden. Wie sollen wir da arbeiten? Schließlich dürfen wir es nur noch eingeschränkt, weil alles so laut ist. So werden wir lahmgelegt. Das heißt dann Sachzwang. Natürlich kommt die Halle. Realisierbar wäre ein solcher Verwaltungsbau, wie ihn Gottfriedsen will, überall. Einen Informationspavillon in Leichtbauweise kann man überall hinsetzen und wieder abschlagen. Das alles haben wir Gottfriedsen gesagt und ihm sogar Alternativen vorgeschlagen. Aber das will er nicht. Es war nicht schön genug.

Interview: rola