Sanierung a la Steinzeit

■ Das „Wohnbesitzprogramm“ des Senats am Beispiel von 150 Sanierungswohnungen in Neukölln / Sanierung mit Staatsknete auf dem Rücken der Mieter?

Bröckelnde Fassaden, verunsicherte Mieter und wechselnde Eigentümer in der Neuköllner Flughafenstraße 31 bis 39: Ein Drittel der 150 Wohnungen steht leer, ein Teil davon wurde sogar zerstört. Jetzt saniert die Firma „IHS-Planungs-GmbH“ von Peer Treyde die Häuser im sogenannten Wohnbesitzprogramm des Senates - also mit öffentlichen Geldern. „Wohnbesitzprogramm“ heißt, den Bewohnern wird nahegelegt, die Wohnungen nachher zu kaufen.

Ob das für die meist sozial schwachen Mieter das Richtige ist, bezweifelt selbst der Neuköllner Sanierungsstellenleiter, von Bülow. Im September beging eine 80jährige Frau in der Flughafenstraße Selbstmord. Sie lebte seit ihrer Geburt in dieser Wohnung, seit Jahren kümmerte sich kein Behördenvertreter um sie. Ihr wurde mit Kündigung gedroht, wenn sie der Modernisierung nicht zustimme. „Der Selbstmord hat mit der Sanierung nichts zu tun“, meinte der zuständige Sachbearbeiter beim Bausenator, Tepas.

Ein Drittel der Bewohner in dem Block lebt unter dem Existenzminimum, 78 Prozent sind Ausländer, ein Viertel mußte schon mehrmals wegen einer Sanierung die Wohnung wechseln, die meisten Wohnungen sind überbelegt, stellte die Mieterberatung ASM 1986 fest. Die Häuser gehörten bis vor neun Jahren der landeseigenen „Stadt&Land“, die sie auf Weisung des Senats an die Abschreibungsgesellschaft „Grundwert“ verkaufte. Die „Grundwert“ wiederum wollte die Häuser ohne Sozialplan modernisieren. Das heißt: keine Mieterberatung, keine Umzugsgelder, keine Entschädigung für mietereigene Einbauten. Der Bezirk legte Veto ein. Nach zweieinhalb ergebnislosen Jahren verkaufte die „Grundwert“ schließlich alles weit über dem Verkehrswert an die „IMCON Immobilienanlagen-GmbH“.

Aber nicht die IMCON sanierte, sondern damit beauftragte Senatsvertreter Tepas die „IHS-Planungs-GmbH“ von Peer Treyde. Treyde macht praktischerweise die „unabhängige“ Mieterberatung gleich selbst. Der in Neukölln zuständigen ASM, die kurzzeitig tätig war, wurde der Auftrag wieder entzogen. Treyde ist darüber hinaus Treuhänder des Senates für die Grundstücke und auch bauausführender Architekt eine für die Mieter problematische Interessenverquickung. „Wenn das Bezirksamt die Beratung so gemacht hätte wie Treyde, wären wir aus den Häusern rückwärts wieder rausgeflogen“, meint von Bülow. Und: 5,70 Mark kalt wird der Quadratmeter nachher kosten, falls die Mieter ihre Wohnung nicht kaufen. Es gibt immer noch keinen Sozialplan und nicht einmal Mietminderung während der Bauzeit. Eine Modernisierung mit den ansonsten in Berlin üblichen Konditionen - Sozialplan und eine Miete von 4,40 Mark - sei wegen des hohen Verkehrswertes der Grundstücke nicht möglich gewesen, sagt Neuköllns Baustadtrat Branoner (CDU).

Ein rosigeres Bild malt Senatsvertreter Tepas. Die Mieter, die ihre Wohnung erwerben - nachdem sie teilweise jahrzehntelang Miete für die Behausungen löhnten - , könnten durch Steuerersparnis immerhin auf eine Miete um die vier Mark kommen. Zu den gleichen Bedingungen könne auch die IMCON die nicht verkauften Wohnungen behalten und sie für 5,70 Mark vermieten - das sei dann deren Gewinn, so Tepas weiter. Für die Mieterberatung sei Treyde als Baufachmann hervorragend geeignet. Interessensgegensätze sah Tepas nicht, schließlich sei Treyde „nur“ Treuhänder und Architekt, nicht Eigentümer. Allerdings werden Briefe von Treuhänder Treyde und der Eigentümerin IMCON von der gleichen Sekretärin unterschrieben.

Fachmann ist Treyde mit Sicherheit: Er saniert allein in Neukölln noch einige hundert Wohnungen - ohne Sozialplan mit öffentlichen Mitteln.

esch