Deutsch-deutsches Joint-venture

■ Bundesrepublik als Transitland für DDR-Produktionen? / Innerdeutscher Handel gefährdet

Kranzberg (ap/taz) - Der erste deutsch-deutsche Gemeinschaftsbetrieb wird ab Mitte dieses Jahres im thüringischen Zella-Mehlis errichtet. Die Pilz GmbH teilte in Kranzberg bei München Einzelheiten des Mitte Dezember mit dem Dresdner Computerkombinat Robotron vereinbarten Projektes zur Herstellung von Kompaktschallplatten (CD) mit. Danach wird als Rechtsform des Joint-ventures zunächst eine GmbH und Co KG angestrebt, an der Robotron mit 77 Prozent und das bayerische Familienunternehmen Pilz mit 33 Prozent beteiligt sind. Die gemeinsame Firma soll später in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Die Finanzierung der geplanten Investitionen von etwa 235 Millionen D-Mark wird den Angaben zufolge die neue Niederlassung der Dresdner Bank in Dresden sicherstellen.

Das Werk soll „unter marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ohne planwirtschaftliche Auflagen arbeiten“ und mit 230 Arbeitsplätzen eine Kapazität zur Herstellung von mindestens 24 Millionen CD im Jahr haben. Damit werde auch der erwartete Bedarf in der DDR abgedeckt, der 1991 bei fünf Millionen liegen werde, erklärte Pilz. Das von der Baufirma der Pilz-Gruppe zu errichtende Werk soll bis Ende 1991 fertiggestellt werden.

Dieses deutsch-deutsche Joint-venture könnte den Beginn einer großen Welle von Gemeinschaftsunternehmungen, die nicht allein für den Binnenmarkt der DDR, sondern auch für den Weltmarkt produzieren sollen, bedeuten. Auf diesem Wege könnte der Status der DDR als „graues EG-Mitglied“ weiter gefördert werden. Im Unterschied zu anderen Ländern Osteuropas ist es der DDR dank des 1957 beim Abschluß des EWG-Vertrages verankerten Protokolls über den innerdeutschen Handel erlaubt, Warenlieferungen in die BRD einzuführen, ohne den üblichen EG-Einfuhrzoll von durchschnittlich fünf Prozent des Warenwertes entrichten zu müssen. War bislang die Umgehung des Einfuhrzolles bei illegaler Weiterleitung der Waren in andere EG-Mitgliedsländer angesichts des relativ geringen Exportvolumens der DDR kein Problem, so dürfte sich die Situation mit der näherrückenden Welle deutsch-deutscher Joint-ventures ändern.

Wie die 'Frankfurter Rundschau‘ berichtete, sind die vereinbarten Sonderbestimmungen über den innerdeutschen Handel im Zuge der intensivierten Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden deutschen Staaten bereits in das Kreuzfeuer der Kritik geraten. Aus Kreisen der EG-Kommission wurde bekannt, daß die Sonderregelungen mit den zukünftigen Realitäten des Gemeinsamen Marktes nicht länger in Übereinstimmung zu bringen sind. Das Problem dürfte auch durch den von der Regierung Modrow angestrebten Kooperations - und Handelsvertrag mit der EG nicht gelöst werden können, weil auch dabei keine Zollbefreiung vorgesehen ist.