Die Russen kommen - nach Israel

In Israel wird die Einwanderung von mehreren hunderttausend Juden aus der Sowjetunion erwartet / Erhebliche finanzielle Probleme in Israel / PLO fürchtet „Gefahr für Friedensprozeß“ / Waffendeal mit Äthiopien  ■  Aus Jerusalem K.Hillenbrand

Israel bereitet sich auf eine der größten Einwanderungswellen seiner Geschichte vor: Für die nächsten Jahre wird mit der Imigration von bis zu einer Million sowjetischer Juden nach Israel (ca. vier Millionen Einwohner) gerechnet. Derzeit geht man von rund 50.000 Menschen aus, die allein dieses Jahr aus der UdSSR kommen werden.

Schon heute besuchen wesentlich mehr sowjetische Juden das Land als noch vor ein paar Jahren. Viele bleiben allerdings nicht, sie reisen als Touristen, besuchen ausgewanderte Freunde und Verwandte. Die jetzt prognostizierte Masseneinwanderung birgt erhebliche Probleme. Dabei ist die Immigration selbst unstrittig: Die Israelis sind sich mit ihrer Regierung einig, daß die Ankunft der Sowjets nur zu begrüßen sei. Schließlich entspricht dies auch der Tradition eines von Einwanderern gegründeten Staates.

Jedoch ist die finanzielle Seite der Aktion ungeklärt. Die für die Einwanderung zuständige Jewish Agency in Jerusalem glaubt sich mit einem Gesamtbudget von ca. 360 Millionen Dollar überfordert. Es fehlten mindestens 150 Millionen allein für 1990.

Spätestens bis zum Februar will die Regierung die Frage von Direktflügen zwischen Moskau und Tel Aviv klären. Bisher kommen die Einwanderungswilligen häufig über Bukarest nach Israel. Damit soll auch verhindert werden, daß die sowjetischen Juden unterwegs nach New York umschwenken. Denn die Sowjets sind bei ihrer Ausreise „nicht von zionistischen Werten motiviert“, so Natan Sharansky, Vorsitzender des zionistischen Forums für das sowjetische Judentum. Sie hoffen vor allem auf mehr Freiheiten und einen höheren Lebensstandard. Für 1990 haben die Vereinigten Staaten die Einwanderungsquote auf 50.000 sowjetische Juden festgelegt. Die PLO hat die geplante Einreisewelle und die Haltung der UdSSR dazu kritisiert. „Die Imigration von mehr Juden könnte den Friedensprozeß gefährden“, so erklärte Salah Khalaf in Kuwait. Bemühungen um äthiopische Juden

Bemühungen sind auch im Gang, etwa 15.000 äthiopische Juden nach Israel ausreisen zu lassen. Schon vor fünf Jahren waren in einer spektakulären Aktion Tausende aus dem Hungerland evakuiert worden. Ein Berater von Präsident Mengistu, Kassa Kebade, ließ Ende letzten Jahres durchblicken, daß sich sein Land „aus Humanität“ einer Ausreise nicht verschließen werde.

Dabei geht es auch um Familienzusammenführungen zwischen bereits in Israel und noch in Äthiopien lebenden Juden. In Israel selbst bemüht sich das Oberrabbinat um eine Klärung, welche der „schwarzen Juden“ wirkliche Juden sind. Die Äthiopier haben sich lange vor Beginn der Diaspora von den anderen Juden getrennt und entsprechend andere religiöse Inhalte adaptiert. In die Bemühungen zur Ausreise ist auch der ehemalige US-Präsident Carter involviert, der zwischen der Regierung in Addis Abeba und den Rebellen in Eritrea vermittelt.

Nach einem Bericht der 'Sunday Times‘ soll es bei der geplanten Ausreise zu einem Waffengeschäft gekommen sein. Danach dürften die Juden gegen israelische Waffenhilfe das Land verlassen. Angeblich befinden sich bereits 200 israelische Soldaten in Äthiopien. Die Regierung in Jerusalem hat zu dem Bericht jede Stellungnahme verweigert.