Fernsehvorabend: geliftet

■ Seit dem 2. Januar hat Radio Bremen-TV ein neues Vorabend-Programm

Die Glotze verhält sich zu Fernsehzuschauern wie das Liebgewordene zur Gewohnheit. Daher muß böse aufpassen, wer die SeherInnen an eine neue Leine nehmen oder neudeutsch: eine neue Zuschauerbindung herstellen will. Jedes Bild wird da zum Testbild. Radio Bremen Fernsehen, das kleine Senderlein, bei dem jede zweite BremerIn schon mal im Bild war, hat uns nun einen neuen Vorabend designed.

Das Kind hat den Namen „Radio Bremen ... bis Acht“ und geht von 17 Uhr 25 bis fast zur Tagesschlau. Am auffälligsten: der Vorabend ist geliftet worden. Wie Fältchen sind die AnsagerInnen weggeglättet. Was uns nicht in Harnisch bringt. Die restringierten Elaborantinnen, die mit Zwei-bis Vierzeilern und Selbstgemachtem das schwarze Zeitloch füllen mußten, daß wir uns mitschämten, sind sie nicht ein Atavismus der 50erJahre? Als die Zuschauer - tv -zeitgeschichtlich betrachtet - noch Affen waren, denen man Zuckerpuppen geben mußte? Wer glaubt, man könne Denes Törz kopieren, muß irrlings auf den Bauch fallen.

Jedenfalls haben Verantwortliche das neue Programm nach der Zweizugpferdkomponente komponiert: man mixe ein Teil Bewährtes und ein Teil viel versprechendes Neues, serviere in postmoderner Schürze und gehe locker innovativ, innovativ locker an den Start.

Das Bewährte ist Buten&Binnen, ehrlich währt am längsten, logisch. Aber damit es nicht nur

gut, wahr und alt aussieht, kommt es uns neuschön im angebauten Studio in aktuellem Lamellencharakter und neuer Farbigkeit. Die Telefonistin sitzt jetzt halbseitlich hinter dem anchorman, dem hauptverantwortlichen Mann der Mitte. Vieleviele kleine Aktenordner im Hintergrund zeugen von integrierter Redaktion. Und Michael Geyer, Gottseidank ganz der Alte, begrüßt uns zu Buten & Binnen am Tag 1 des Programm-Reförmchens mit der „Zauberformel“, daß sender „investiert“ habe „ohne Zukunftsangst“. Da muß empfänger sich ja keine Sorgen machen um die katastrophale Finanzlage, die Werbekrise und die Droh-Konkurrenz. Den Vorspann hat man abserviert: Zack, Kamera-Einfahrt ins Studio, der Trend geht zum Sofort-Bild, unten rum ein Schriftbändchen.Schade. Wo sind die Schiffe geblieben? Die Flugzeuge? Weltbewegende Mobile aus Bremen!? Oder die Reise aus dem All durchs Buten&Binnen-Schlüsselloch? Nix versäumen, keine Zeit. Also weiterweiter, bzw. zurück.

Der Vorabend beginnt zunächst mit einer Vorschau, da darf nochmal ein Sprecher ran und Serien-Trailer umrahmen. Dann gibts kurze Zweimann-Nachrichten, wo schon der B&B-Moderator Themen für gleich anbietet, wo schon Jörg Wontorra seinen blitzblank-neuen Sport-Blitz vom Tischchen gegenüber ankündigt, erst muß er aber die erste Serie ansagen. Für einen Sympathieträger kein Problem, daß ihm die numerische Folge

entfallen ist. Kleine Pannen steigern das Aufmerksamkeitsvermögen. Im Zuge der sogenannten „ARD -Harmonisierung“ flimmert jetzt bundesweit die gleiche Serie, da kommt kein Neid auf. Nach Carlot, dem glücklosen Glücksspiel, und Werbungskompensationen a la Roger Whittaker und „auf du und du mit dem Damwild“ elektroniksprintet der Sport-Blitz auf uns zu. Die Sendung, die steht und fällt mit Jörg Wontorra, die Nr.1 der RB-Hoffnungsträger. Wenn bloß seine Berichterstatter -Gesellen nicht derart akustophobe Stimmlagen hätten! Der Meister serviert nun eine Viertelstunde lang eine angenehm untypische und an B&B angelehnte Form einer lokalen Sportschau. Am Ende muß er wieder eine Serie ansagen, diesmal „Die Katrin wird Soldat“ nach einem Roman von Adrienne Thomas. Die Geschichte eines lothringischen, jüdischen Mädchens zu Jahrhundertbeginn, ein Sittengemälde mit unverbrauchten Gesichtern. Endlich kommt das neue Gewinnspiel Kreuz & quer und damit auch die erste anchormaid. Sie heißt Dagmar Wenck und ist voll flott und voll vollmundiger Zuversicht - als flögen ihr die Wörter wie gebratene Tauben in den Mund - daß wir bei ihrem Kreuzwort -Spiel mitspielen. Sollen wir sie enttäuschen und ihre 12 mal 8 Felder leer lassen? Bloß weil wir kein ostfriesisches Rezept kennen und Karten zum Sechstagerennen uns kein erstrebenswerter Gewinn scheinen? Claudia Kohlhas