Bayerisches Sibirien ohne Schnee

■ Weil die Natur nicht tut, was sie soll, kann die Wettkampfsaison im Wintersport nicht beginnen, wann sie will. Und dort, wo ein paar weiße Flocken fallen, haben die Touristen Vorfahrt

München (dpa) - „So mies war der Winter noch nie!“ Otto Eisner, altgedienter Funktionär im Skigau Bayerwald, mag die vom makellos blauen Himmel in das nebelfreie „bayerische Sibirien“ hineinstrahlende Sonne gar nicht mehr sehen. Für einen einzigen Pokallanglauf in Frauenau über die Jahreswende haben die Veranstalter den dürftigen Schnee zusammengekratzt, wo doch ein gutes Dutzend alpiner und nordischer Wettbewerbe auf lokaler und regionaler Ebene auf dem Programm gestanden hätte.

Für rund 2.000 Skiklubs mit 300.000 Mitgliedern im Bayerischen Skiverband beginnt die Wettkampfsaison normalerweise Ende Dezember. 600 alpine und nordische Wettbewerbe vom Pokalslalom bis zur Landesmeisterschaft im Skispringen stehen auf dem Programm bis in den April hinein. Doch der Schneemangel hat das Skisport-Karussell gestoppt wie in Bayern so auch im Sauerland, im Harz und im Schwarzwald. Oder auf einen kleinen Alpenzipfel konzentriert, wie auf das „bayerische Schneeloch“ Reit im Winkl, wo im Januar gleich zwei Weltcups in der Nordischen Kombination stattfinden sollen, die anderswo ausgefallen sind.

Peter Schuster, Präsident des Bayerischen Skiverbandes und Bürgermeister im Zugspitzdorf Grainau, sieht das Problem, das den Weltcupverantwortlichen graue Haare bereitet, bayerisch-gelassen: „Man soll nichts übers Knie brechen. Wenn kein Schnee da ist, dann gibt's halt vorerst keine Rennen und wir müssen warten. Im Sommer geht auch keiner im See baden, wenn das Wetter nicht paßt und das Wasser eiskalt ist.“

Schuster setzt sich hier - und dies bewußt als Skifunktionär - auch für den Umweltschutz ein: „Wir haben in unserer Verordnung in der Gemeinde über den Einsatz von Schneekanonen verankert, daß vor Mitte November - auch wenn es Minustemperaturen hat - die Schneekanonen nicht in Betrieb genommen werden und auch nicht länger als bis Mitte März laufen dürfen.“

Schuster sagt: „Wir müssen einfach die Rennen weiter ins Frühjahr hinein verschieben. Bisher konnten immer noch alle Meisterschaften ausgetragen werden.“ Der BSV-Präsident verweist anhand der 75jährigen Chronik des Skiverbandes auch darauf, daß in früheren Jahrzehnten schneearme Winter ebenfalls keine Seltenheit waren und daß schon damals Wettbewerbe einfach vom Januar in den April verlegt wurden.

Die Springen der Vierschanzentournee in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen und ein Nachtlanglauf in Fischen waren die bisher einzigen Skisportveranstaltungen im gesamten Allgäuer Raum, berichtet Skigauvorsitzender Kurt Reich. Aufgrund der Schneenotlage werden die österreichischen Meisterschaften der Skispringer im Kleinwalsertal teilweise auf der bereits präparierten Oberstdorfer Schattenbergschanze ausgetragen. Nachbarschaftshilfe über Schneegrenzen hinweg.

Im bayerischen Skiverband Oberland klagt Vorsitzender Bertl Langmeier über Reiter, die mit ihren Pferden die einzige Loipe im gesamten Gebiet zerstört haben. Über 1.300 Meter gibt es zwar Schnee in den Bergen, aber der hauchfeine Pulverschnee bindet sich nicht und ist für Rennen nicht zu präparieren.

Andererseits haben über die Weihnachtsfeiertage, über Neujahr bis nach dem Dreikönigstag die Touristikmanager das Sagen. Im Bretterschachten-Gebiet im Bayerischen Wald, einem hochgelegenen schneesicheren Langlaufdorado, stürmen in dichten Trauben die Feriengäste auf den Langlauflatten durch die Loipen. Meinte Otto Eisner: „Ein Wettkampf ist da nicht möglich. Da bräuchten wir ja Polizisten, um abzusperren.“

Ein Ausweichen auf die nahegelegenen österreichischen Gletscherskigebiete, wo sie sonst für Werbezwecke immer willkommen sind, ist derzeit den deutschen Skimannschaften auch nicht möglich, denn „da haben die Hausgäste den Vorrang“, stellt Langmeier fest.

Herbert Bögel