Für Südafrika gibt's im Osten einiges Neues

Erstmals wird ein südafrikanischer Regierungsvertreter von einem Warschauer-Pakt-Land empfangen / Roelof „Pik“ Botha bei Kollege Horn / Noch keine diplomatischen Direktbeziehungen, aber Entspannung via verstärkter Handelsbeziehungen / Pretoria sucht weiße Fachkräfte  ■  Von Andrea Seibel

Berlin (taz) - Nur die radikalen Änderungen in Osteuropa und die kleinen Reformen in Südafrika machten es möglich: Erstmals besucht ein südafrikanischer Politiker ein osteuropäisches Land. Der überraschend vorgestern abend in Budapest eingetroffene südafrikanische Außenminister Roelof „Pik“ Botha wird dabei sowohl Gespräche mit der Regierung als auch mit Oppositionsvertretern führen. In diplomatischen Kreisen in Budapest war die Rede, daß der ungarische Außenminister Gyula Horn mit Botha über vereinfachte Visa -Bestimmungen sprechen wolle. Man könne die Begegnung als eine „Art ungarische Öffnung“ bezeichnen, meldete der ungarische Rundfunk am Mittwoch abend. Doch zumindest jetzt wünsche man noch keine diplomatischen Beziehungen zu Pretoria, dessen „rassistische Politik Ungarn weiterhin“ verurteile. Man wolle, so signalisierten beide Seiten, „Interessen-Büros“ in den jeweiligen Hauptstädten eröffnen, um zu einem späteren Zeitpunkt reguläre diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Ähnlich war Ungarn als Vorreiter innerhalb des Warschauer Pakts bei Israel und Südkorea vorgegangen.

Die Öffnung Ungarns gegenüber dem Regime in Pretoria läuft jedoch schon länger. Nicht nur ist sie zurückzuführen auf den durch die Annäherung der Supermächte USA und UdSSR beschlossenen Unabhängigkeitsprozeß für Namibia. Südafrika zog seine Truppen ab, nachdem die letzte Kolonie Afrikas jahrzehntelang widerrechtlich von der afrikanischen Hegemonialmacht besetzt und ausgebeutet worden war. Das wurde Pretoria sowohl in Ost wie in West hoch angerechnet. Auch die innenpolitischen Reformschritte der Post-Botha -Regierung unter Frederik de Klerk machten Eindruck. Schon im November 1989 hatte Ungarn daraufhin bei einer Generalversammlung der UNO verstärkte Sanktionen gegen Pretoria abgelehnt. Und das, obwohl Ungarn Mitglied des 1963 gegründeten UNO-Spezialkomitees über Apartheid ist, das an erster Front der Sanktionsbefürworter steht, wie UNO -Vertreter afrikanischer Staaten gestern düpiert bemerkten.

Der Wandel ist dem Handel zu danken. Schon seit Monaten wurde zwischen beiden Staaten auf kommerziellem, akademischem und touristischem Gebiet sondiert. Bei Bothas Besuch geht es jetzt konkret um Landerechte für die „South African Airways“ einerseits und Zugang zur Bergbau -Technologie der Südafrikaner. An verstärkten Handelsbeziehungen mit Ländern Osteuropas ist Südafrika sehr gelegen, um die ökonomischen Sanktionen westlicher Länder zu umgehen. Laut südafrikanischen Geschäftsleuten habe die Exportindustrie in Osteuropa erfolgreich ihre Sanktionslöcher stopfen können.

Auch das Anwerben ungarischer Fachkräfte scheint bei dem Botha-Besuch eine Rolle zu spielen. Seit den Eruptionen in Osteuropa wirbt das Land massiv um gen Westen geflüchtete Fachkräfte, auf deren Antikommunismus man baut. Besonders gefragt sind neben PolInnen und UngarInnen offenbar DDRler. In einer am 1. November in einer bundesdeutschen Zeitung geschalteten Anzeige wurden besonders Ärzte, Computerspezialisten, Ingenieure, Geologen, aber auch Handwerker gesucht. Nach Angaben aus dem Innenministerium in Pretoria vom Mittwoch haben sich nach Zeitungsinseraten schon Hunderte OsteuropäerInnen, darunter fast 500 DDR -BürgerInnen, beworben. In der südafrikanischen Botschaft in Bonn meinte eine Sprecherin gestern gegenüber der taz, „wenn es hochkommt, waren es 10 bis 15 Leute“, die sich informiert hätten. Einen Auswanderungsantrag habe noch niemand gestellt. In der südafrikanischen Presse ist seit Tagen ganz offen von nach Europa entsandten Werbern die Rede.

Das Land hat aufgrund seiner Rassentrennungspolitik und Diskriminierung einen Überfluß an ungelernten und oft arbeitslosen schwarzen ArbeiterInnen. Hunderte kritischer weißer JungakademikerInnen haben hingegen in den letzten Jahren das Land verlassen. Insgesamt wanderten 1987 11.174 Menschen aus und nur 7.953 Immigranten trafen ein. In den Anzeigen hatte man u.a. mit „europäischem Lebensstandard“ geworben.