Kriminaltango in Frankfurt

Unter Wallmann gingen Informationen aus Ämtern direkt an die Unterwelt / Dubiose Geschäfte des CDU-Magistrats mit Bordell- und Peepshowbesitzern  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Als der amtierende hessische Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU) noch Oberbürgermeister der Mainmetropole Frankfurt war, tanzten diverse Mitarbeiter verschiedener Ämter der Stadtverwaltung den Kriminaltango: Krumme Geschäfte bei Ausschreibungen, Unterschlagungen bei der Müllentsorgung und dubiose Praktiken beim Straßenverkehrs- und beim Gartenamt, mit denen sich die angestellten Täter sechsstellige Summen in die eigene Tasche wirtschafteten, beschäftigen seit Monaten Staatsanwälte und Gerichte. Nach Informationen der Illustrierten 'Stern‘ steht der seit Mai vergangenen Jahres von SPD und Grünen regierten Stadt ein neuer Bestechungsskandal ins Haus, dessen Dimensionen noch nicht abzusehen sind.

Aus dem Ordnungsamt heraus soll zumindest ein Mitarbeiter gezielt Informationen über die noch von der CDU -Stadtregierung intern beratenen Pläne zur Umstrukturierung des bordellbestückten Bahnhofsviertels an das Puff- und Spielhöllenbesitzergespann Hersch und Chaim Beker weitergegeben haben. Die Gebrüder Beker, gegen die bei der Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen des Verdachts auf Gestattung und Betrieb illegalen Glücksspiels und auf Steuerhinterziehung anhängig ist, haben diese internen Informationen „vergoldet“: Gezielte Grundstücksgeschäfte im Bahnhofsviertel und in den vom Ex-CDU-Magistrat angepeilten neuen Sperrgebieten sicherten den Brüdern Millionengewinne.

Für die „erstaunlich guten Informationen aus dem Ordnungsamt“, so die ermittelnde Kriminalpolizei in einem Zwischenbericht, sollen Schmiergelder in erheblichem Umfang an den oder die Informanten geflossen sein. Für die Polizei steht damit fest, daß die Unterwelt die Stadtverwaltung systematisch „unterwandert“ habe.

Für den Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Römer, Lutz Sikorski, ist der Bestechungsskandal allerdings nur eine Seite der „schmutzigen Medaille“. Unter der Ägide Walter Wallmanns seien dubiose Geschäfte mit den Brüdern Beker auch ganz offiziell durchgezogen worden. Im Gespräch mit der taz verwies Sikorski auf einen Vertrag zwischen der Stadt Frankfurt und den Brüdern Beker, der zwei Wochen vor der Kommunalwahl '89 abgeschlossen worden war. Für ein Salär von monatlich 300.000 DM auf zehn Jahre befristet, mietete die Stadt die Räumlichkeiten einer Peepshow in der Kaiserstraße von den Brüdern Beker, um dort das heimatlos gewordene englischsprachige Theater und einen Teil des Verkehrsamtes (!) unterbringen zu können. Der Vertrag wurde vom damaligen Stadtkämmerer Ernst Gerhard (CDU) und vom Leiter des Liegenschaftsamtes unterschrieben. Sikorski: „Die Brüder Beker werden sich schippelig gelacht haben. Ohne einen Finger krummzumachen, haben die von der Stadt die Peepshow -Einnahmen plus zehn Prozent erhalten. Das ist ein aberwitzig hoher Mietpreis. Unter diesen Umständen hätte ich den Laden auch dichtgemacht.“

Daß es zwischen der Stadt Frankfurt und ihrem Oberbürgermeister Wallmann auf der einen und den Bordellbrüdern Beker auf der anderen Seite wie geschmiert lief, offenbarte auch eine Hausdurchsuchung, die von der Kripo in Zusammenhang mit der Spielhöllenaffaire in der Villa von Hersch Beker durchgeführt wurde. Dabei kam amtsinterner Schriftverkehr ans Tageslicht, unter anderem ein Schreiben von Wallmann an den Polizeipräsidenten Gemmer. Wie Beker in den Besitz der amtlichen Schreiben kam, ist noch ungeklärt. Wallmanns Leiter der Staatskanzlei in Wiesbaden, Alexander Gauland, jedenfalls mutmaßte, daß die brisante Korrespondenz möglicherweise aus den Ämtern heraus „verkauft“ worden sein könnte.

SPD und Grüne wollen jetzt die diversen Ämter durchforsten und dort für „klare Verhältnisse“ (Sikorski) sorgen.