Deutsch-deutsche Müllblockaden

■ Ein neuformiertes Müllbündnis setzt sich auf die Straße / DDR „darf nicht das Klo der BRD werden“

Lübeck/Berlin (taz) - Mit Blockaden mehrerer Deponien für bundesdeutschen Gift- und Hausmüll starteten gestern Umweltgruppen aus der BRD und der DDR einen „Aktionsmonat“ gegen den deutsch-deutschen Mülltourismus. Unter dem Motto „Stoppt die Müllimporte in die DDR“ versammelten sich gestern in Schönberg bei Lübeck und vor der Müllkippe Vorketzin bei Berlin Deponie-Anwohner und Umweltschützer der beiden Deutschländer erstmals zu gemeinsamen Blockaden. „Die DDR“, so die Ketziner „Bürgerinitiative 89“, „darf nicht das Klo Europas werden.“

In Schönberg formierten sich am späten Nachmittag mehrere hundert Aktivisten eines „Müllbündnisses“ aus Lübeck, Wismar, Schwerin und Schönberg, um die Lastwagenlawine aus der Bundesrepublik mit Gift- und Hausmüll für die größte Müllkippe Europas aufzuhalten. Auf der Straße zur Deponie Vorketzin wollten sich 100 bis 200 Menschen mit dem Ziel versammeln, für die Mülltransporter aus West-Berlin „die Zufahrt zur Deponie zu schließen“. Die Bürgerinitiativen erhofften einen Rückstau bis zum 20 Kilometer entfernten Westberliner Grenzübergang Staaken. Protestaktionen waren auch vor den Deponien Schöneiche und Röthehof geplant. Die beteiligten Initiativen, zu denen Robin Wood, Greenpeace, das Neue Forum und die Ostberliner Umweltbibliothek zählen, wollen bis zum 27.Januar mit weiteren Aktionen und Veranstaltungen dagegen protestieren, daß die DDR „zum Mülleimer der BRD“ wird, so die Umweltgruppe „Arche“.

Unterdessen bahnt sich in der Bundesrepublik ein Konflikt um die Müllentsorgung nach Schönberg zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein an. Der Fraktionschef der schleswig -holsteinischen SPD, Gert Börnsen, verlangte gestern den baldigen Stopp der Mülltransporte nach Schönberg. „Spätestens nach dem 6.Mai werden die vom DDR-Volk frei gewählten Organe die entsprechende Entscheidung treffen, und wir werden sie dazu ermuntern“, sagte Börnsen. Jörg Kuhbier, der Umweltsenator Hamburgs, das mit jährlich 700.000 Tonnen Müll größter Exporteur von vorwiegend Hausmüll ist, fand Börnsens Fortsetzung auf Seite 2

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Äußerungen „unverständlich“. Sie würde gegen Vereinbarungen zwischen den beiden Bundesländern verstoßen. Absprachegemäß sollen die Müllexporte „schrittweise“ eingeschränkt werden.

Auf einer Pressekonferenz am Donnerstag abend forderte Marlis Oettel von der Ketziner Bürgerinitiative eine „frühestmögliche Schließung der Deponie Vorketzin“ bei Berlin, die nach amtlichen Untersuchungen nachgewiesenermaßen das Grundwasser der umliegenden Gemeinden verseucht. Acht Trinkwasserbrunnen mußten bereits geschlossen werden. „Sofort“ müßten die Westberliner Sondermülltransporte auf

die kaum abgesicherte Müllkippe ein Ende haben. Den Ketzinern seien die Westberliner Müllberge einfach „auf die Schultern geladen worden“, kritisierte die DDR-Bürgerin. Verärgert war Oettel auch über die Westberliner AL -Umweltsenatorin Michaele Schreyer. Sie habe weder die Sondermülltransporte nach Vorketzin gestoppt noch auf die Schreiben und Einladungen aus Ketzin reagiert.

hmt/-man