Medienzar und Antitrustgesetz

■ Berlusconis Kauf des Mondadori-Konzerns bedeutet nicht nur mehr Marktmacht, sondern auch die Verhinderung der Kritik daran

Teil 28: Werner Raith

Guido Bodrato, stellvertretender Vorsitzender der Democrazia Cristiana, ahnt Böses, wenn er an die Politik seiner Regierung denkt. „Die sind mehr an einer Aufteilung der Pfründe interessiert als an guten Gesetzen. Und sie wissen vor allem, welche Gesetze sie verhindern müssen, um dran zu bleiben.“

Unter den zu verhindernden Projekten rangiert nach Bodrato eines ganz vorne - das gegen die galoppierenden Konzentrationen in der Wirtschaft. Entwürfe dazu schmoren seit einem Jahrzehnt in verschiedenen Versionen in den Ausschüssen. Doch sie dienen bisher im wesentlichen dazu, daß Italiens Vertreter in Brüssel oder Straßburg damit herumwedeln und deren nahe Verabschiedung verkünden können, wenn es wieder mal Zoff wegen der unverfrorenen Konzentrationen gibt.

Weiterhin ist Italien eines der wenigen europäischen Länder, in denen Monopolisten und Marktbeherrscher faktisch keinerlei Einschränkung fürchten müssen. Lediglich ein parlamentarischer „Vigile“ mit einer Minikommission hat eine Art Beobachterfunktion und berichtet dem Hohen Haus über Beängstigendes - meist dann, wenn es sowieso zu spät ist.

Auch diesmal, in der Mitte der Legislaturperiode, hat sich noch nichts in Sachen Antitrustgesetz getan - und wird sich, angesichts der Langsamkeit des Gesetzgebungsapparates, auch kaum mehr etwas tun. Das allerdings sehen manche Experten derzeit nicht unbedingt als Schaden: „Vielleicht ist das Nichtstun gar nicht so schlecht“, vermutet einer, der sich seit Jahren für solche Gesetze schlägt, der linksunabhängige Senator Guido Rossi, vordem Börsenpräsident: „Auf diese Weise kommt es wenigstens noch ab und zu zu einem Skandal, und die Öffentlichkeit wird wach. Durchaus möglich, daß wir bei einer solchen Gelegenheit ein etwas besseres Gesetz als die bisherigen Entwürfe durchkriegen.“

Der Anlaß wäre derzeit gegeben wie kaum jemals zuvor: Ende November hat der TV-Zar Silvio Berlusconi („Italia 1“, „Retequattor“, „Canale 5“), bereits zuvor mit nahezu 75 Prozent des Privatfernsehangebots und über 40 Prozent des gesamten nationalen TV-Marktes sektoraler Monopolist, den Erben des Mondadori-Medienimperiums die Aktienmehrheit abgekauft (und den bisher dort herrschenden Olivetti -Generalmanager Carlo De Benedetti praktisch kaltgestellt).

Eine Medien-Konzentration

wie in einer Diktatur

Berlusconi, der seine - umgerechnet - ersten hundert Millionen DM in den sechziger und siebziger Jahren im damals lukrativen, heute ausgepowerten Bausektor erworben hat, kommt damit auf eine Konzentration gedruckter und gesendeter Information, die es so außer in Diktaturen nirgendwo mehr gibt: Mehr als ein Drittel der Wochen- und Monatsmagazine kontrolliert er nun, 50 Prozent des Privatrundfunks, 20 Prozent der gesamtnationalen Buchproduktion sowie fast 17 Prozent der Tageszeitungen. Der größte Tageszeitungskonkurrent, Fiat-Rizzoli, erreicht zwar gut 22 Prozent - aber nur aufgrund zahlreicher Sportgazetten.

Noch beeindruckender sind die dadurch erzielten Umsätze. In Italien laufen nahezu 60 Prozent aller Werbegelder in den TV -Sektor (in der BRD sind es nur zehn Prozent), und Berlusconi zieht davon bereits durch seine Sender fast die Hälfte ein - Erfolg der Strategie, dem staatlichen Fernsehen RAI die Kunden durch Dumpingpreise wegzunehmen; der Staatssender liegt trotz annähernd gleicher Seherzahl nur noch bei 17 Prozent. Mit dem Mondadori-Deal streicht Berlusconi nun vom gesamten Werbemarkt - also Presse, Radio und TV zusammen - mehr als 42 Prozent ein.

Die neue Nummer 4

in Italien

Sein Gesamtumsatz kommt nun nahe an die Zehn-Milliarden-DM -Grenze heran; alleine Mondadori bringt dazu mehr als dreieinhalb Milliarden DM mit. Nur der Fiat-Konzern der Agnelli (an die 40 Milliarden DM), der Landwirtschafts- und Lebensmittelriese Ferruzzi (30 Milliarden DM) und das von Carlo De Benedetti um den Elektronik-Trust Olivetti herum aufgebaute Industrie- und Finanzkonglomerat (18 Milliarden DM) sind nun noch umsatzträchtiger als Berlusconi.

Im Gegensatz zu Berlusconi schaffen die anderen „Großen“ ihre Umsätze jedoch nicht in einem einzigen Wirtschaftsbereich, sondern mit Hilfe weitgestreuter Aktivitäten: Fiat ist im Auto- und Maschinengeschäft, bei der Waffen- und Flugzeugherstellung aktiv und besitzt auch große Finanz- und Bankinstitute. Agrar-Ferruzzi besitzt auch riesige Versicherungsgruppen und mächtige Chemieunternehmen. De Benedetti hat neben Olivetti eine der europaweit größten Finanzierungsgesellschaften und zahlreiche Unternehmen im Bereich ökologischer Produkte zusammengekauft. Der gesamte Medienbereich (Presse und TV zusammen) macht zum Beispiel bei Fiat nicht einmal 15 Prozent des Gesamtumsatzes aus, bei Ferruzzi sogar nur ein Hundertstel. Als Mondadori noch von De Benedetti kontrolliert war, hob das seine Umsätze um nicht einmal 18 Prozent.

Dazu kommt, daß alle anderen Trusts mächtige Konkurrenten haben: Selbst wenn sie, wie Fiat und Olivetti, keine italienischen Mitbewerber haben, so dringen doch solche aus dem Ausland ein. Berlusconi aber hat im Medienbereich nun keine bedrohenden Konkurrenten mehr zu fürchten. Das gibt ihm eine Macht, die noch weit über diejenigen hinausgeht, die sich aus den bloßen Umsatzzahlen ableiten läßt: Mit dem Mondadori-Kauf gehören ihm nun die marktführenden Wochenschriften 'Panorama‘, 'L'Espresso‘ und 'Epoca!‘ ebenso wie der Spitzenreiter bei den Tageszeitungen, 'la Repubblica‘, und mehr als zwei Dutzend regionale und lokale Zeitungen. Damit kontrolliert der Medienmann faktisch mehr als 80 Prozent speziell der regierungskritischen Presse jene Medien also, die den Aktionen seiner neokonservativen Freunde häufig kräftig zugesetzt haben.

„Ideen von Craxi,

Andreotti und Forlani“

Daß Berlusconi zur Durchsetzung einer Kursänderung entschlossen ist, hat er selbst schon angekündigt: „Mir schwebt ein Projekt vor, das an den Ideen von Craxi, Andreotti und Forlani orientiert ist“, erklärt er schon vor einem halben Jahr. Craxi, Andreotti, Forlani: Das derzeitige Machtkartell zwischen dem Vorsitzenden der Sozialisten, Bettino Craxi, dem Ministerpräsidenten Andreotti und dem DC -Sekretär Forlani. Drei Politiker, die seit Installation ihres Pakts Mitte vorigen Jahres immer unverfrorener Posten und Pfründe untereinander aufteilen, und die hauptverantwortlich dafür sind, daß gerade in Sachen Antitrust überhaupt nichts vorwärts geht.

DC-Vize und Dissident Guido Bodrato, der seit Berlusconis Mondadori-Coup zur nun doch wachsenden Zahl kritischer Politiker auch aus der Regierungsallianz gehört, vermutet denn auch, daß „selbst, wenn die uns tatsächlich noch ein Antitrustgesetz zugestehen, es allenfalls zur Festschreibung dessen kommen wird, was der Berlusconi sowieso schon hat“. Das ist leicht möglich: Kostproben ihres Beistands für den Fernsehmogul haben die drei allesamt schon abgeliefert.

So drohte Craxi als Ministerpräsident 1983-87 zwar immer wieder mal in Richtung Fiat mit Antimonopolnormen, wenn die Agnellis den PSI-Oberen kritisierten; doch seinem Getreuen Berlusconi half er dreimal, als mutige Amtsrichter dem Rundfunkgesetz entsprechend die Sender Berlusconis abschalteten, weil dieser seine zunächst als „Lokalsender“ getarnten oder gekauften Antennen zusammengeschaltet und damit flächendeckende Sender gebastelt hatte, was ausdrücklich dem öffentlichen Rundfunk vorbehalten ist.

Forlani wiederum konnte noch im Dezember „keinerlei aktuellen Entscheidungsbedarf in Sachen Trust-Gesetze“ entdecken. Und Andreotti hat seinerseits im August eine böse Attacke gegen „gewisse Industriekapitäne“ geritten, die „ihre wirtschaftliche Macht dazu nutzten, die Regierungspolitik verächtlich zu machen“ - gemeint war, wie Andreotti später klarstellte, Carlo De Benedetti, der damalige Herrscher bei Mondadori und damit auch für die Blätter 'la Repubblica‘, 'Panorama‘ und 'L'Espresso‘ zuständig.

Der gilt den Herrschenden als Unperson, weil er ihnen unverblümt „Umweltverantwortungslosigkeit“ und „politischen Dilettantismus“ vorgeworfen und ihr Finanzgebaren als „Selbstbedienungsladen für ihre Klientel“ bezeichnet hatte. Daß die großen Magazine und 'la Repubblica‘ solche Urteile oft mit Enthüllungen belegten, schreiben Craxi, Berlusconi und Co dem Wirken De Benedettis zu.

„Welch ein Unsinn“, antwortet darauf einer der angesehensten Politjournalisten Italiens, Giampaolo Pansa, „uns muß doch kein Benedetti einflüstern, was die in Rom für einen Humbug treiben.“

Tatsächlich hat De Benedetti seinen Organen eine völlige Unabhängigkeit von seinen unternehmerischen Entscheidungen eingeräumt - und, nach Angaben der Redaktionen, auch strikt eingehalten. Damit wird es, nach Berlusconis Übernahme (und unter der Voraussetzung, daß ein bereits vor Gericht gelandeter Widerspruch De Benedettis nicht doch noch durchgeht) nun vorbei sein: Schwarze Listen kündigen bereits Kaltstellungen und reihenweise Entlassungen in den neu übernommenen Zeitungen an. Dann wird der Widerstand gegen das Antitrustgesetz wohl entgültig begraben sein.

Oder vielleicht doch nicht? „Keine Spur“, spottet das Satireblatt 'Cuore‘: „Dann kriegen wir das Gesetz sofort. Wortlaut: Paragraph eins: Es ist verboten, mehr als 100 Prozent eines Marktes zu beherrschen. Paragraph zwei: Ausnahmen sind nur möglich, wenn der Eigner Berlusconi heißt.“