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Verbrechen zahlt sich aus

Das Zehn-Millionen-Comeback des Ben Johnson  ■  PRESS-SCHLAG

Da sage noch einer, Verbrechen lohne sich nicht. Kaum hat sich der kanadische Sprinter Ben Johnson von seinem herzzereißenden Auftritt vor der Doping -Untersuchungskommission in Toronto und der Aberkennung seines Weltrekordes und Weltmeistertitels erholt, kann er sich schon auf den größten Reibach seiner Karriere freuen. Am 25. September läuft die zweijährige Sperre aus, die Johnson aufgebrummt bekam, weil er nach seinem 100-Meter -Sieg bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul des Dopings überführt worden war. Damals hatte er allenthalben als ebenso schwarzes wie dummes Schaf gegolten, ein willenloses Werkzeug in den Händen skrupelloser Manager und Ärzte.

Besonders, als er in Toronto bei der Betrachtung einer Aufzeichnung seines Laufes von Seoul heiße Zähren vergoß, wurde ihm in aller Welt uneingeschränktes Mitleid entgegengebracht. Der Weg, der den armen Burschen aus Jamaika zu den Fleischtöpfen des Profisports geführt hatte, schien schnurstracks zurück ins Bodenlose zu verlaufen.

Reputation ruiniert, lukrative Werbeaufträge storniert, zur sportlichen Tatenlosigkeit verurteilt - Ben Johnson schien ein gebrochener Mann zu sein. Selbst sein schärfster Konkurrent Carl Lewis, der sich keine Gelegenheit entgehen läßt, als Anti-Doping-Apostel aufzutreten, quoll schier über vor Mitgefühl und wünschte sich eine baldige Rückkehr des reumütigen Sünders auf die Tartanbahn.

Der Wunsch wird ihm nun bald erfüllt werden, und je näher das Ende von Ben Johnsons Sperre rückt, desto deutlicher wird, daß alle Sorgen um seine Zukunft völlig müßig waren. Weit entfernt davon, ihn ins Abseits befördert zu haben, scheint der extensive Dopingkonsum seinen Marktwert eher ins fast Unermeßliche gesteigert zu haben. Bereits jetzt überbieten sich potentielle Veranstalter eines Duells Johnson-Lewis, möglichst schon wenige Tage nach Ablauf der Sperre.

Das makabre Spektakel soll entweder in Japan oder in Nordamerika stattfinden, sechs Interessenten haben bereits Angebote bis zu sechs Millionen Dollar gemacht. Dazu kommen die Fernseheinnahmen, und Joe Douglas, der Manager von Carl Lewis, geht davon aus, daß die beiden Athleten insgesamt mindestens zehn Millionen Dollar an Gage einsacken werden.

Zwei Jahre Urlaub und dann gleich fast zehn Millionen Mark auf einen Schlag, das kann sich durchaus sehen lassen. Zudem soll sich der kompakte Sprinter einen Großteil seiner anabolen Muskelgebirge bewahrt haben, und im Training ist er angeblich schon wieder 10,04 Sekunden über die 100 Meter gelaufen. Der Fernsehzuschauer darf sich bereits jetzt auf eine sicherlich hoch geschmackvoll zelebrierte Veranstaltung freuen, mit Jack Nicholson als Conferencier, vermuten wir mal, mit Ben Johnson als Tränenlieferanten, mit Carl Lewis als gutem Gewissen, und zu guter Letzt darf dann Professor Donike vor laufenden Kameras die Analyse von Johnsons Urinprobe vornehmen. Resultat? Natürlich positiv. Crime doesn't pay? Wer's glaubt, wird selig.

Text: Matti / Fotos: ap

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