U-Boot-Affäre: Staatsanwalt auf Kollisionskurs

Kieler Staatsanwaltschaft setzt sich über Abwiegelungstaktik der Bundesregierung hinweg /Firmen durchsucht, die am U-Boot-Geschäft mit Südafrika beteiligt waren /Große Mengen Material beschlagnahmt /Bundesregierung muß fürchten, daß ihre Mittäterschaft ans Licht kommt  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Die Staatsanwaltschaft Kiel ist in der U-Boot-Affäre jetzt auf direkten Konfrontationskurs mit der Bundesregierung gegangen. Obwohl das Auswärtige Amt vor wenigen Tagen mit einem Gutachten die Staatsanwaltschaft abblocken wollte, sehen die Kieler Juristen strafrechtlich relevante Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Außenminister Genscher verneint eine für eine Strafverfolgung der beiden Firmen notwendige „erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen“.

„Das sehen wir nun anders“, sagt dagegen Oberstaatsanwalt Raab-Straube mit Verweis auf eine UN-Resolution vom 9. November, in der die BRD wegen des Südafrika-Geschäfts verurteilt wird. Am Donnerstag wurden sowohl das Bundesunternehmen Howaldtswerke - Deutsche Werft (HDW) als auch das für die Konstruktionspläne federführende Industrie -Kontor Lübeck (IKL) durchsucht. Dabei sind nach Angaben des Oberstaatsanwalts Raab-Straube „große Mengen Material“ beschlagnahmt worden.

Kommt es in dem seit Jahren verschleppten Verfahren zur Anklageerhebung, dann läuft die Bundesregierung Gefahr, daß ihre Mittäterschaft bei dem 1984 begonnenen Geschäft offengelegt wird. Bundeskanzler Kohl muß fürchten, daß die beteiligten Manager auspacken, wie weit sie die Bundesregierung zur Lieferung der Konstruktionspläne an Südafrika ermutigt hat, Rückendeckung gab und Straffreiheit zusicherte. Bislang konnte die Bundesregierung sowohl dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß des Bundestags alle wichtigen Zeugen und Akten vorenthalten als auch die Ermittlungen unterbinden. Die mit dem Fall zunächst betraute Oberfinanzdirektion Kiel - ihr Leiter ist ein guter Freund des damaligen Finanzministers Stoltenberg (CDU) - hatte ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen HDW und IKL wegen des Verstoßes gegen das Waffenembargo gegen Südafrika planmäßig eingestellt. Mit den gelieferten Bauplänen sei kein funktionstaugliches U-Boot herzustellen, hatte die Oberfinanzdirektion erklärt, obwohl ihr der Umfang der gelieferten Pläne nicht bekannt war. Ein weiteres Verfahren wegen des Verstoßes gegen die Geheimhaltungspflicht mußte 1989 eingestellt werden, weil der Bundeswirtschaftsminister Haussmann (FDP) die notwendige Strafverfolgungsermächtigung verweigerte. Anhängig ist noch ein Verfahren gegen Kanzlerberater Teltschik, der kurzerhand ein zuvor bekanntgewordenes verfängliches Schreiben des verstorbenen Franz-Josef Strauß an Bundeskanzler Kohl vernichtete.

Die Bundesregierung argumentiert, bei der UN-Resolution handele es sich überhaupt nicht um eine Verurteilung der Bundesrepublik. Zwar sei die Resolution, so der Oberstaatsanwalt Raab-Straube, nach erheblichen „Abwehrkämpfen“ der Bonner Diplomaten abgeschwächt worden, entscheidend aber sei, daß 32 Länder eine eindeutige Verurteilung beantragt hätten. Mit „Hochdruck“ werde nun das beschlagnahmte Material ausgewertet. Unklar ist gegenwärtig, ob die beteiligten Unternehmen nicht zwischenzeitlich Akten vernichtet haben. Aufschluß geben könnte eine Liste, die seit 1986 im Safe der Bundestagspräsidentin Sssmuth liegt. In ihr sind alle Firmenakten aufgeführt, die dem Untersuchungsausschuß 1986 für wenige Tage vorlagen, bevor die Regierungskoalition dies rückgängig machen konnte.