Drum talke, wem Getalk gegeben

■ Radio Bremen sein „III nach 9“ – die Talkshow mit viel Müll und wenig Kakao

Das Wort „Interesse“ bedeutet eigentlich zielgerichtete Aufmerksamkeit. Ist jemand interessiert, kann das mit beteiligt, ja sogar mit Anteil nehmend übersetzt werden. Das Gegenteil davon sind ein Talkmaster und zwei Talkmeisjes in der Bremer Freitags-Talkshow „III nach neun“ um zehn.

Der running gag ist wieder die Versuchsmoderatorin. Diesmal neu: Hilde Heim-Buchmann, eine blonde Heidi-Schüller –Variation und ziemlich blauäugig. Ihr Interesse dokumentiert sich in Fragen, die irgendwie mit dem Thema zu tun haben. Z.B. bei Eugen Drewermann, katholischer Priester und publizierender Psychoanalytiker – eine Mischung, die selbst den ungläubigsten Moderator auf Trab bringen müßte. Was fragt Hilde? „Wie halten Sies's mit dem Zölibat, das ist für Sie doch sicher interessant?!“ Welch eine Stolperantwortfalle! Aber der stoisch furchtlose Kirchen –Freud gibt trotzdem redlich Auskunft über pubertäre Verdrängungen und die Religion als kollektive Zwangsneurose. Hilde macht einen Zuhörmund.

Ist vielleicht ein bißchen viel für's erste Mal, einem waschechten Ketzer gegenüberzusitzen. Kollege Giovanni di Lorenzo springreift ein. Unter tauben Moderatoren ist der Einohrige König. Außerdem muß er sich nochmal profilieren, nachdem ihm Dagobert Lindlau am Anfang die Show gestohlen hat – mit konfiszierten Erdnüßchen über eigene „unkritische“ Rumänien-Beiträge mümmelnd. Daß der das darf! Als Original darf der alles. „Talkshows dienen dazu“, kann er sich leisten, „daß sich der Talker profiliert“, hahaha, dickbackiges Lachen, Giovanni lacht dünnbackig mit. Was Lindlau denn nach seinem Wiener Korrespondentenposten werden will? Och, vielleicht BR-Intendant und Leute rausschmeißen.

Ein Unbekannter stiehlt sich in die Runde, s'ist der DKP-an –den-Spiegel-Verräter, mit falschem Namen, Donnerlittchen, wie brandpolitisch für eine Talkshow! Der Unglückliche, der schwitzt, als büßte er schon im Fegefeuer, würde ja gerne berichten, was alles wahr an seinen Berichten über die Kampftruppe der SED in der BRD ist, aber man sitzt hier ja nicht zum Zuhören. Partisan unter Fragen –Bombardement, Partisan abgehakt. Randi Crott, schon länger mitmoderierend und deshalb wie verbraucht, nimmt sich Pierre Guillaumes an, obwohl der Junge schon lange aus dem Gröbsten raus ist und seinen väterlichen Kanzleramtsspion Günter längst abgehakt hat. Also fragt Randi sekundös nach der Verhaftung – hinter welcher Tür stand wie welcher Fänger und wie lieb Klein-Pierre (damals, also 1974, 17jährig) seine Eltern vorher-nachher denn gehabt habe? Vorher so lieb und nachher anders lieb? Jetzt Hilde wieder. Für Ilse (Wir-atmen-alle-falsch) Middendorf, Atemtherapeutin. Atmen wir nicht alle? Frau Middendorf, 80 Jahre, die liebenswürdige Atemszene-Gurin, hat eine Analyse gemacht, um den Atem tiefer zu verstehen: „Wo lagen da so die Probleme bei ihnen?“ muß sie sich fragen lassen. Aua.

Jetzt wieder Randi Crott. Gegen Karl Dall. Weil sie Angst vor dem gnadenlosen RTL-plus-Talker hat und am liebsten nichts von ihm wissen will, das aber witzig, rutscht sie auf seinem Kalauereis pardauz aus. Bleibt noch Rudolf Bahro, der Er-Eiferer zwischen zwei deutschen Welten, der nach zwei Stunden des Wartens noch schnell den ökologischen Wahnsinn beider Wahnsysteme beschwört und doppeltes Honorar fordert. Was sollen wir da sagen?

Claudia Kohlhase