Karibik als Klapsmühle

■ Premiere des Bremer „Theatre du Pain“ im Lagerhaus / verzweifelt verrückt

Vier Männer auf einer öden Karibik-Insel. Zwei fies, zwei plemplem. Ihr Flugzeug ist notgelandet, ein Orkan hat ihre Habseligkeiten zerstreut. Die Fiesen sind sowas wie die Therapeuten der anderen. Die Fiesen waren früher mal mit derselben Frau liiert. Der eine Verrückte (Göte mit ö) ist Kind geblieben und leidet unter unentwickelter Sexualität, der andere (Felix) ist ein zwangsneurotischer „Wissenschaftler“ und

latent homosexuell.

Beckett lebt doch noch: Die bei Generationen von Oberschülern so beliebte Situation der „existentiellen Geworfenheit“ ist wiedermal hergestellt. Verloren ist nur der Ernst der Verzweiflung. Das Warten auf Godot gerät heute zu einer puren Komödie. Wenn einer der vier an seinem Leiden arbeitet, einen tieferen Gedanken entwickelt, zerpflückt es ihm der andere durch eine Kanonade von

Kalauern, tückischen psychoanalytischen Anspielungen und Entlarvungen. Wir im Publikum lachen dann, oder das Lachen bleibt uns im Halse stecken, je nachdem, ob wir eher die Macke des einen oder des anderen uns anziehen können. Alle vier versuchen, sich im Spiegel ihrer Vergangenheit zu deuten, aber sie zertreten sich ihre Spiegel zu so kleinen Partikeln, daß alles so bleibt wie es ist. Nur etwas waberige new age-Philosophie darf sich ab und zu über das Kaputte - Kaputtgemachte! - heben und kann sich trostreich geben.

Das Stück platzt einfach vor Komik: des Mienenspiels, der Wortspiele, der absurden Gegenstände. Diese Gegenstände sind es wert, aufgelistet zu werden: da dreht sich ein Planetarium auf einem Plattenspieler, Teewasser wird aus einem Fernrohr gezapft, aus dem Toaster ertönt ein Vortrag über schwarze Löcher.

Darüberhinaus gibt es auch noch vier musikalische Einlagen. Der Gipfel: Einsteins populärwissenschaftliche Erklärung der Relativitätstheorie als schwungvoller Popsong. Wer Ende Dezember im Schlachthof beim „Frohen Rest“ war, wird dort Stefan vom Theatre du Pain als den „Goldenen Robert“ auf der Bühne singen und Baß spielen gesehen haben; anscheinend ist er nicht nur ein Multitalent, sondern macht auch sonst alles selbst: dort sagte er die anderen Bands an, hier schenkt er vor und nach dem Auftritt Getränke hinter der Bar aus. Das Publikum kennt und liebt die Vier, fühlt sich umso mehr angenehm unterhalten, aber weiß vielleicht nicht, warum. Klemens Alf