In der kambodschanischen Koalitionsarmee müssen Kinder kämpfen

Viele der Jungen wurden beim Viehhüten gekidnappt und zum Waffentragen auf seiten der Guerilla-Fraktionen gegen die Regierung Hun Sen gezwungen / Viele Waisen sind darunter  ■  Von Larry Jagan

Zehn Kinder marschieren in ihren dunkelbraunen Kitteln mit weißem Kragen aus dem Gefängnis in Phnom Penh über die Straße ins Empfangszentrum, zum Gespräch mit der taz. Sie sind zwischen zwölf und 15 Jahre alt und zählen zu den jüngsten unglücklichen Opfern des anhaltenden kambodschanischen Bürgerkrieges. Unter der nominellen Führung von Prinz Norodom Sihanouk kämpfen drei Guerilla -Fraktionen gegen die von Vietnam gestützte Regierung Hun Sen. Es sind die gefürchteten Roten Khmer mit ihrem berüchtigten Führer Pol Pot, die antikommunistische People's National Liberation Front unter Führung des ehemaligen Premierministers Son Sann und Prinz Sihanouks eigenen Kräfte, die ANS.

Die Jugendlichen gehören zu den 561 Kriegsgefangenen (433 Sihanoukisten, 52 KPNLF und 21 Rote Khmer), die sich gegenwärtig unter Obhut des zuständigen Ministeriums befinden. Der oberste Gefängnisvorsteher war allerdings bemüht klarzustellen, daß sie sich mehr unter Kontrolle des Militärs befänden. Nervös hantieren die Jungen mit einem Päckchen Zigaretten, das vom einen zum anderen wandert. Die meisten lassen ihre Zigarette für später oder zum Handel in der Tasche verschwinden. Obwohl alle einen sehr angespannten Eindruck machen, gibt es keine Anzeichen für Mißhandlungen.

Alle stammen aus der Siemreap und Battambang Region, die meisten ergaben sich Ende vergangenen Jahres nach einer erbitterten Schlacht den Phnom Penher Truppen in Phnom Srok, einige 50 Kilometer vom Hauptquartier der Regierung in Sisophon entfernt. Eine 350 Mann starke Sihanouk-Einheit wurde beim Angriff auf ein Dorf von Hun Sens Truppen umzingelt. Nach einer verbissenen Schlacht ging den Sihanoukisten die Munition aus und sie waren gezwungen, sich zu ergeben. Diejenigen, die älter als 18 waren, wurden zur „politischen Schulung“ geschickt und befinden sich gegenwärtig im T-3-Internierungslager. Mit Nachdruck erklärt der Gefängniskommandeur, daß es internationales Recht verbiete, Kinder unter 18 Jahren einzusperren oder gar in den Krieg zu schicken. Diese Jungen würden - obschon sie seit über einem Monat in Gefangenschaft leben - bald auf freien Fuß gesetzt.

Der jüngste Gefangene, Neth Sarith, ein zwölf Jahre alter Schüler, hütete Vieh, als Sihanouks Soldaten ihn und weitere zehn Jungen gefangennahmen und zwangen, Waffen an die Front zu tragen und dort in einem Versteck zu vergraben. Der Kommandeur habe ihn oft geschlagen, sagt Neth, und gedroht, ihn und seine Familie umzubringen, falls er davon laufe. Chay Beay, ein 13 Jahre alter Schüler, hatte ebenfalls nach seinem Vieh geschaut, als die Soldaten der ANS ihn mit 13 anderen in die Armee drängten. Auch er wurde gezwungen, Waffen zu tragen und in einem Vorratslager in der Nähe der Ortschaft Don Chil zu vergraben. Danach durfte er nicht nach Hause zurückkehren, obwohl die Mädchen heimgeschickt wurden. Er sollte sich mit einem Gewehr, das er nicht einmal zu bedienen wußte, an den Kämpfen beteiligen. Obwohl er Gewehre trug, hat er, wie er sagt, nie davon Gebrauch gemacht. Auch er wurde oft vom Kommandeur geschlagen und für den Fall der Flucht mit dem Tode bedroht, wenn er nicht gehorchen wollte. Seine Eltern hatte er unter dem Pol-Pot-Regime verloren, nur seine Tante ist ihm geblieben.

Auch Pep Siv ist 14 Jahre alt und wurde in Sihanouks Armee gezwungen. Seit sein Vater während des Pol-Pot-Regimes umgebracht wurde, lebte er nur mit seiner Mutter. „Run and duck“ hatte ihm der Kommandeur erklärt, als er ihn mit dem Waffennachschub an die Frontlinie schickte. Er war beauftragt, den jüngeren Kindern, die als Träger mitgingen, Deckung zu geben. „Man unterrichtete uns, daß wir alle Vietnamesen umlegen und Kambodscha von ihrer Kontrolle befreien sollten.“ Als Pev seinem Kommandeur entgegenhielt, daß er „nie einen vietnamesischen Soldaten gesehen hat“, erklärte dieser, der Feind seien diejenigen „Leute mit einem vietnamesischen Kopf auf einem Khmer-Körper“.

Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in den Khmer -Flüchtlingslagern entlang der thailändischen Grenze bestätigen, die Aufnahme von Kindern in die Koalitionsarmee sei gang und gäbe. Im Lager Site 2 besitzen alle Jungen, die älter als zehn Jahre sind, ein Gewehr und wissen damit umzugehen. Offizielle bestätigen überdies, daß die Waisen in diesen Lagern als Träger benutzt werden. Im Lager B, einem Camp von Prinz Sihanouk, wurden kürzlich einige 600 Studenten zum paramilitärischen Training verbracht. Über ihren gegenwärtigen Aufenthalt weiß niemand Bescheid. Die Lagervorsteher versicherten den Mitarbeitern der UNBRO lediglich, daß die Studenten nicht an militärischen Aktivitäten beteiligt oder als Träger mißbraucht würden. Sie würden lediglich in „ziviler Verteidigung unterrichtet“.