Tritte von allen Seiten

In Jugoslawien rechtlos, hier diskriminiert / Ein Roma berichtet  ■ I N T E R V I E W

Etwa 120 Roma leben in den Übergangswohnheimen am Bader Weg in Essen-Heisingen. Sie kommen aus Jugoslawien (viele aus Skopje und Umgebung) und wollen in Essen bleiben. Die Nachricht von den bevorstehenden Abschiebungen hat sie alarmiert. Milan Jovanovic spricht für die Gruppe, sein Sohn Goran übersetzte.

taz: Wie ist Ihre Situation in Jugoslawien?

Milan Jovanovic: In Jugoslawien haben wir keine Rechte. Die politischen und die ökonomischen Probleme gehen immer zusammen. Wenn es ökonomisch gut geht, dann geht es auch politisch. Wenn es ökonomisch schlecht ist, dann ist es auch politisch schlecht.

Wie zeigt sich das im Alltag?

In Jugoslawien gibt's keine Roma, sagt die Regierung. Das sind alles Serben, Makedonier, Kroaten oder so. Unsere Kinder sind in der Schule immer Außenseiter. Wohnungen bekommen wir nicht, wir leben in Zelten oder Baracken außerhalb der Städte. Immer an Orten, wo keine Leute sind.

Jetzt kommen die Kämpfe zwischen den Nationalitäten dazu, zum Beispiel im Kosovo. Die Roma stehen dazwischen. Der Mann dort aus Skopje sagt, sie zerstören die Hütten von Roma bei ihren Kämpfen. Unsere Häuser haben ja keine starken Wände, sie sind aus Blech, Karton und so was. Und sie zwingen die Frauen von Roma ... sie vergewaltigen sie. Die Roma werden von beiden Seiten geschlagen. Wir sind wie ein Fußball, wie uns jemand tritt, so gehen wir. Die meisten Roma haben Angst, über ihre Schwierigkeiten zu sprechen. Und man glaubt uns auch nicht.

Wie beurteilen Sie Ihre Situation hier in Essen?

Hier ist es besser als in Jugoslawien, aber auch nicht so gut wie für normale Menschen. Hier leben in zwei Räumen 12 Personen. Bademöglichkeiten und Duschen gibt es hier nicht. Wir können zweimal die Woche drüben in der Schule duschen. Aber jetzt in den Ferien nicht. Von den 700 Roma, die in Essen leben, haben nur wenige, ein oder zwei Prozent vielleicht, eine Wohnung. Die deutsche Polizei sagt, daß unsere Kinder klauen und daß wir klauen. Aber wenn sie hier zur Schule gehen und die deutsche Kultur kennenlernen, dann werden sie auch nicht klauen. Oder wenn wir arbeiten können, dann klauen wir auch nicht.

Was werden Sie jetzt tun?

Wenn wir abgeschoben werden, ist das ein großes Unrecht. Wir haben kein Land, in das wir gehen können. Kein Land will uns aufnehmen, weil wir Roma sind. Wir sind auf diesem Planeten geboren, wir gehören auch hierher. Und jetzt sollen wir wieder verjagt werden, wie vorher.

Interview: Bettina Markmeyer