Neue Buchverlage - kein Papier

Christoph Links hat in Ost-Berlin den unabhängigen Sachbuchverlag „Linksdruck“ gegründet  ■ I N T E R V I E W

taz: Sie sind als erster neuer Verlag in der DDR an die Öffentlichkeit getreten und haben einen Lizenzantrag gestellt - sofort nachdem am 1.Dezember die Druckgenehmigungen abgeschafft wurden. Können Sie jetzt tatsächlich ohne bürokratische Hindernisse arbeiten?

Christoph Links: Wir arbeiten schon, haben uns aber noch nicht als GmbH konstituieren können, weil uns dafür immer noch eine Lizenz des Kulturministeriums fehlt. Dort gibt es offensichtlich im Hause selbst noch Kompetenzstreitigkeiten. Das andere Problem sind Papier und Druckkapazitäten. Hier hat am Wochenende die Regierung auf Druck der Opposition zugestanden, daß allen Gruppen und Parteien des runden Tisches solche Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden. Was aber aus unabhängigen Projekten wird, ist derzeit völlig offen.

Was heißt das für „Linksdruck“?

Wir haben bislang zwölf Projekte laufen, für die wir mit Autoren Vorverträge geschlossen haben, im Frühsommer sollen die ersten Bücher dasein. Aber das setzt eben Papier und Druckkapazitäten voraus. Wir können im Moment nur versuchen, auf eigene Faust mit den Druckereien zu reden, ob irgendwo zum Beispiel die Neuauflage eines Buches mit einem Erich -Honecker-Vorwort geplatzt ist.

Ist nicht eine Kooperation mit westlichen Verlagen verlockender als diese mühselige Suche nach Papier?

Das Joint-venture-Gesetz ist ja in Vorbereitung, und ich bin in den letzten Wochen von verschiedenen, auch größeren westdeutschen Verlagshäusern angesprochen worden, ob man bei uns nicht einsteigen oder uns auch kaufen könne - als Brückenkopf für den eigenen Vertrieb in der DDR. Natürlich ist das attraktiv, wenn einem da sechsstellige DM-Summen angeboten werden. Aber wir wollen ja einen unabhängigen linken Sachbuchverlag auf die Beine stellen und sind der Zensur nicht entflohen, um von anderen Leuten gesagt zu bekommen, was wir zu machen haben.

Nun hat Bertelsmann verbreitet, seine Geschäftsführer würden als Kommanditisten einsteigen.

Weder das Unternehmen noch einzelne werden bei uns Anteile halten. Wir haben uns auf eine verlegerische Kooperation geeinigt. Und damit wir auf eine ähnliche technische Basis kommen, hat sich Bertelsmann bereiterklärt, uns eine Starthife in Form von Computern und Kopierern zu geben. Das haben wir natürlich angenommen, da wir hier im Land an so etwas überhaupt nicht herankommen.

Und wir suchen auch ganz gezielt Titel, die in beiden deutschen Staaten interessant sind. Denn nur wenn wir auch Lizenzen vergeben, kommen wir zu eigenen Valutaeinnahmen. Aber was unser eigenes Kapital angeht, so versuchen wir vorrangig, erst einmal hier in der DDR Geld aufzutreiben. Das Stammkapital der GmbH von 20.000 DDR-Mark haben ich und ein Mitarbeiter aufgebracht, dazu kommen viele stille Teilhaber: Wissenschaftler, Publizisten, Filmemacher, die uns den Start mit ermöglichen. Von Freunden in der Bundesrepublik ist uns auch schon vorgeschlagen worden, uns über einen Förderkreis zu unterstützen.

Was werden die ersten „Linksdruck„-Titel sein?

Bücher, die sich mit der DDR-Geschichte, mit Formen des Stalinismus beschäftigen. Da ist zum einen die Lebensgeschichte eines Mannes, der noch 1958, nach Janka und Harich, zu acht Jahren verurteilt wurde und davor ein sehr bewegtes Leben hatte. Ein zweites Buch wird sich mit der Herrnstadt-Zaisser-Affäre 1953 beschäftigen: Zwei Mitglieder der SED-Führung, die eine Öffnung gegenüber Andersdenkenden wollten - und die dann nach dem 17.Juni von Ulbricht geschaßt wurden. Dann werden wir auch Bücher zur DDR -Gegenwart im Programm haben: zu den Schwierigkeiten von Ausländern bei uns, zu Jugendgruppen - Skins, Punks, Grufties -, allgemein zu verdrängten und ausgeblendeten Bereichen der Gesellschaft. Wir wollen jeweils mit mindestens 10.000 Exemplaren starten. Die Nachfrage ist auf jeden Fall da - nur die Druckerei und das Papierkontigent brauchen wir noch.

Interview: Michael Rediske