Der Anfang vom Ende der Planwirtschaft

Der Entwurf für ein Joint-venture-Gesetz sieht großzügige Regelungen für die West-Unternehmen vor / Der Erwerb von Grundstücken ist aber (noch) verbaut / Steuerbefreiung für die ersten beiden Jahren / Die Joint-venture-Betriebe sollen keinerlei Planauflagen unterliegen  ■  Von Kurt Zausel

Berlin (taz) - Die DDR-Regierung macht sich im Eiltempo bereit, den „Tiger zur reiten“. Wie das Düsseldorfer 'Handelsblatt‘ berichtet, wird sich die Volkskammer bereits Ende dieser Woche mit dem Entwurf eines „Gesetzes zur Schaffung von Rechtsgrundlagen für Unternehmen mit ausländischer Beteiligung in der DDR“ beschäftigen. Öffentlich bekannt wurde jetzt ein von Experten des DDR -Finanzministeriums verfaßter Katalog von Grundsatzregeln für die Genehmigung und den Betrieb von Joint-ventures. Sollten diese Grundsatzregeln in der vorliegenden Form paraphiert werden, dann dürften westlichen Direktinvestitionen in Gestalt gemeinsamer Unternehmungen von DDR-Betrieben und Westkapital prinzipiell nichts mehr im Wege stehen. Allerdings soll nicht jeder DDR-Betrieb in den Genuß der neuen Freiheit kommen können.

Während nämlich ausländische Beteiligte der Joint-ventures sich aus natürlichen und juristischen Personen zusammensetzen können, ist für die DDR-Seite vorgesehen, daß nur juristische Personen in Gestalt volkseigener Kombinate, Betriebe, Außenhandelsbetriebe sowie Genossenschaften der Landwirtschaft, des Handels und des Handwerks sich beteilgen können. In die Röhre schauen bislang noch Finanzinstitute und Consulting-Firmen, über die der Entwurf keinerlei Aussagen trifft.

Spekulationen des 'Spiegel‘, wonach in Ausnahmefällen der ausländische Anteil an Joint-ventures in der DDR auch mehr als 49 Prozent betragen kann, „wenn der Zweck des Unternehmens eine höhere ausländische Beteiligung im volkswirtschaftlichen Interesse rechtfertigt“, finden in dem bekanntgewordenen Entwurf keine Grundlage. Vielmehr heißt es explizit: „Der ausländische Anteil am Stammkapital bzw. Grundkapital eines Unternehmens kann bis zu 49 Prozent betragen.“

Zwei Typen von Rechtsformen werden für die zukünftigen Joint-ventures vorgeschagen: Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) nach dem GmbH-Gesetz von 1892 und die Aktiengesellschaft nach dem Aktiengesetz aus dem Jahre 1937. Dabei soll das Stammkapital einer GmbH mindestens 250.000 Mark der DDR und das Grundkapital einer Aktiengesellschaft mindestens 750.000 DDR-Mark betragen.

Weiterreichende Hoffnungen westdeutscher Unternehmen und Politiker werden enttäuscht: Der Entwurf vermerkt ausdrücklich, daß Grundstücke und Gebäude allein zur Nutzung eingebracht werden können. Der Erwerb von Grundstücken über den Umweg von Joint-ventures ist somit (noch) verbaut. Während die Geldeinlagen von DDR-Seite wahlweise in heimischer oder ausländischer Währung zu leisten sind, können die ausländischen Partner ihre Einlagen nur in Devisen leisten. Die Umrechnung dieser Kapitaleinlagen soll nach den für die volkseigene Wirtschaft geltenden Umrechnungskursen erfolgen. Gegenwärtig würde dies einem Kurs von 1DM zu 4,4 DDR-Mark entsprechen.

Daß die Regierung Modrow die ungleiche Hochzeit zwischen sozialistischen und kapitalistischen Betrieben zu forcieren bereit ist, zeigen die im Entwurf enthaltenen, recht großzügigen steuerlichen Regelungen. Vorgesehen sind die Entrichtung von Vermögenssteuern in Höhe von einem Prozent des Gesamtvermögens und von Körperschaftssteuern in Höhe bis zu 50 Prozent des zu versteuernden Einkommens sowie von Gewerbesteuern im Rahmen der bereits geltenden gesetzlichen Regelungen.

Interessant für die westlichen Kooperationspartner dürfte sein, daß für die ersten zwei Jahre nach Gründung eines gemeinsamen Unternehmens weder Körperschafts- noch Vermögens - und Gewerbesteuern zu entrichten sind. Für die darauf folgenden fünf Jahre ist vorgesehen, daß die Unternehmen mögliche Verluste steuermindernd absetzen können.

Wie ernst es die DDR-Regierung mit der Kapitalisierung ihrer Wirtschaft meint, zeigen auch die operativen Regelungen für die Joint-ventures. Vorgeschlagen wird, daß diese Unternehmungen keinerlei staatliche Planauflagen erhalten und autonom über die Form ihrer Geschäftsbeziehungen mit weiteren ausländischen Partnern entscheiden sollen. Auch sollen die Betriebe strikt nach dem Prinzip der Eigenerwirtschaftung der Devisenmittel operieren und autonom über ihre Devisenerlöse verfügen können. Selbstredend wird auch der unbeschränkte Gewinntransfer gewährleistet, der aus den Nettodevisenerlösen finanziert werden soll. Allein die Aufnahme von Fremdwährungskrediten beim westlichen Bankensystem bedarf der Zustimmung des Ministers der Finanzen.

Völlig ohne staatliche Einflußnahme soll es allerdings auch in Zukunft nicht gehen. Die Zustimmung zur Gründung von Joint-ventures soll zentral durch den Minister für Finanzen erfolgen, dem der Referentenentwurf eine Notbremse zur Hand gibt. „Die Genehmigung ist zu versagen“, heißt es in der Vorlage, „wenn der Bildung des Unternehmens volkswirtschaftliche oder regionalwirtschftliche Gründe entgegenstehen.“