Rheinland-Pfalz will Nato-Rechte beschneiden

Landesregierung pocht auf mehr rechtliche Autonomie / Kündigung des Nato-Zusatzabkommens? / Angeblich Verhandlungen mit Bonn  ■  Von Joachim Weidemann

Mainz (taz) - „Die Präsenz der Amerikaner ist ein Januskopf, gerade bei uns in der Pfalz“, beklagt sich Kaiserslauterns Oberbürgermeister Gerhard Piontek (SPD): Einerseit seien Fluglärm, Manöver und Militäranlagen den Rheinland-Pfälzern ein Horror, andererseits läge die regionale Wirtschaft ohne Konsum und Investitionen der Nato-Streitkräfte darnieder und stiege die Arbeitslosenquote um mindestens zwei Prozent.

In dieser Zwickmühle duldete Mainz es jahzehntelang, daß Nato-Truppen sich besonders in Rheinland-Pfalz breitmachten, das sechsmal stärker belastet ist als der Rest der Republik. Die BürgerInnen wehren sich, wollen nicht länger „Besetzte“ sein und pochen auf ihre „Souveränität“. Nicht nur Piontek fragt: „Welche Rechte haben wir denn schon gegenüber dem Militär? Was geschieht, wenn Truppen abziehen? Wie können wir Militärgelände zurückbekommen, um es zivil zu nutzen?“

Es gilt, Versäumnisse aufzuholen, vor allem rechtliche . Der rheinland-pfälzische SPD-Landeschef Rudolf Scharping moniert: „Laut Nato-Truppenstatut haben die Streitkräfte das Recht des Gastlandes nur zu 'achten‘ - nicht zu 'befolgen‘.“

Die Mainzer Landesregierung aus CDU und FDP - aufgeschreckt durch das Ramstein-Desaster und die nahenden Landtagswahlen in 1991 - verkündet derzeit lautstark, sie dränge in Bonn auf Besserung. Innenminister Rudi Geil (CDU) versprach im letzten Herbst, dies werde „noch 1989“ geschehen. Sein Pressesprecher Ströhm preist an, ein entsprechendes Schreiben sei Ende Dezember an Bundeskanzleramt und Bonner Ministerien gegangen. Unter anderem werde mit dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium verhandelt.

Aber beide Ministerien dementieren dies. Pressesprecher Wunderlich vom zuständigen Auswärtigen Amt: „Wir haben davon aus Mainz weder offiziell noch inoffiziell etwas gehört.“ Über die politischen Motive, warum Mainz solche Ankündigungen verbreitet, „läßt sich nur spekulieren“. Überdies seien Pläne, die Nato-Belange berühren, erst nach langwierigen Verhandlungen mit den Nato-Mitgliedern umzusetzen, wenn überhaupt.

Wenn die Verhandlungen mit der Nato scheitern, dann erwägt der Mainzer Justizminister Peter Caesar (FDP) „sogar die Kündigung des Zusatzabkommens des Nato-Truppenstatus“ (ZA -NTS). Doch die Konfrontation gilt für ihn nur als das letzte Mittel. Er will zunächst geltendes Recht einfordern und „Vollzugsdefizite“ beheben. Caesars Beispiele dafür:

-Bonn müsse dringend jene noch immer fehlenden „Vereinbarungen von Tieffluggebieten“ mit der Nato aushandeln.

-Ferner müßten für alle Liegenschaften, die die Alliierten nach dem Krieg in Beschlag nahmen, „Überlassungvereinbarungen“ verfaßt werden, die bislang noch rar sind. Sie sollen auch die jetzige Nutzung des Geländes beschreiben (Manöver, Munitionslager, Giftgas).

-Gelände, das die Militärs nicht mehr brauchen, müsse verstärkt an die Kommunen und das Land zurückgegeben werden

-zur zivilen Nutzung. Aus US-Flughäfen, etwa im pfälzischen Sembach, könnten sich Regionalflughäfen entwickeln.

-Naturschutzgebiete sollen fortan tatsächlich von Manövern verschont bleiben, wie es Nato-Abkommen vorsehen. Bisher war diese Bestimmung bloße Makkulatur.

Rheinland-Pfalz will jedoch nicht nur gültiges Recht umsetzen, sondern auch das bisher tabuisierte Nato -Zusatzabkommen (ZA) antasten, welches speziell das Verhältnis der BRD zur Nato regelt. Vorschläge für Änderungen:

-US-Gerichte dürfen in der BRD noch immer Todesurteile, fällen, die in den USA vollstreckt werden. Dem will Caesar einen Riegel vorschieben.

-Bei der Landbeschaffung für Militärzwecke reicht Mainz es nicht mehr aus, das Bonn das Bundesland nur anhört, um dann doch nach eigenem Gusto zu entscheiden. Vielmehr verlangt Mainz Caesar zufolge: „Die Entscheidung muß im Benehmen beider Seiten fallen“.

-Für die zivilen Beschäftigten bei den Nato-Truppen soll bundesdeutsches Arbeits- und Mitbestimmungsrecht gelten nicht mehr das amerikanische Prinzip „hire and fire.

Zurück geht der Großteil dieser Vorschläge auf langjährige Forderungen der Grünen und der SPD, denen die CDU deswegen vor nicht allzulanger Zeit noch Antiamerikanismus vorwarf.

Der Forderungskatalog, für den derzeit alle Parteien das Urheberrecht beanspruchen, nutzt jedoch wenig, solange Mainz ihn in Bonn nicht vorlegt.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Gertrud Schilling warf der Landesregierung vor, mit ihren Versprechen die Leute zu täuschen, aber „in Bonn nicht auf den Tisch zu klopfen“. Caesar und der Mainzer Innenminister Rudi Geil (CDU) widersprachen dem. Sie verwiesen auf die Anti-Tiefflug -Resolution, mit dem sich Mainz im Bundesrat durchsetzte, wenn auch nach langem Hickhack.

Flottillienadmiral Elmar Schmähling hält bei der Revision des Truppenstatuts und des Zusatzabkommens Eile für geboten, damit Rechtsradikale sich nicht das Thema unter den Nagel reißen. Zudem passe die derzeitige Verteidigung „nicht in eine Welt, in der die Bedrohung nicht mehr besteht.“