Polizeibeamter vergewaltigte Festgenommene

■ Bahnpolizist übte Selbstjustiz: Gummiknüppel in die Scheide gestoßen / Opfer seit gestern vor Gericht

Auf dem Bremer Hauptbahnhof ist eine Frau von einem Bahnpolizisten vergewaltigt worden. Der Beamte Manfred V. hatte die 20jährige zuvor wegen Hausfriedensbruches festgenommen. Bei ihrer Vorführung auf der Wache nutzte der Bahnpolizist eine Situation, wo er mit ihr alleine war, aus und stieß ihr seinen Gummiknüppel mehrfach in die Scheide. Danach herrschte er sie an, „die Schnauze“ zu halten und zwang sie, den Knüppel in den Mund zu nehmen und abzulecken.

Der ungeheuerliche Vorfall,

der sich bereits vor gut einem Jahr, am 21. Januar 1989, abspielte, wurde gestern im Verlauf einer Verhandlung gegen die betroffene Evelyn N. von deren Verteidiger Horst Wesemann berichtet.

Evelyn N. hatte sich vor dem Amtsgericht wegen Beschaffungsprostitution, Diebstahl, Körperverletzung und Hausfriedensbruch in fortgesetzten Fällen zu verantworten. Um Geld für Heroin und Dinge für den Lebensunterhalt zu organisieren, hatte sie dutzendfach geklaut: von

der Gymnastikhose für 19,80 Mark über den Make-Up-Tester für 6, 50 Mark bis zum 50-Mark-Schein aus dem Freier -Portemonnaie. Für das Gelände der Deutschen Bundesbahn hatte die junge Drogenabhängige Hausverbot erhalten, sich jedoch als „Bahnhofsgängerin“ regelmäßig darüber hinweggesetzt. Acht Mal war sie in den letzten beiden Jahren deswegen verhaftet worden, den Beamten auf der Wache am Bremer Hauptbahnhof also wohlbekannt.

Daß die grausame Beamten

Rache an einem „lästigen“ Störenfried überhaupt strafrechtliche Konsequenzen für den Vergewaltiger haben wird, ist den Polizeibeamten des 6. Reviers und des Kriminaldauerdienstes zu verdanken. Die Beamten hatten, als Evelyn N. kurze Zeit nach der Vergewaltigung erschien und die Tat schilderte, nicht lange gefackelt und auf der Bahnhofswache den Gummiknüppel konfisziert. Bei den durchgeführten labortechnischen Untersuchungen stellte sich dann heraus, daß der Beamte sich sehr sicher gefühlt haben muß. Sowohl am Knüppel wie an seiner Diensthose, an der er, wie Evelyn N. berichtete, die Waffe abgewischt hatte, fanden sich Scheidensekrete. In einem Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 4. Juli letzten Jahres wird dies bestätigt.

Die Anzeige mußte zunächst wegen Evelyns mangelndem Erinnerungsvermögen gegen Unbekannt gestellt werden. Nur we

nige Tage nach der Aufnahme der Ermittlungen enttarnte sich jedoch der Täter selbst: Manfred V. verklagte Evelyn wegen Verleumdung.

Während die heute 21jährige wegen der Fülle an Beschaffungsdelikten, die ihr vorgeworfen werden, seit Oktober '89 in Oslebshausen in Untersuchungshaft sitzt, versieht der beschuldigte Beamte nach wie vor seinen Dienst bei der Deutschen Bundesbahn. Das berichtete Rechtsanwalt Horst Wesemann gestern vor Gericht. Auf seine Anfrage bei der Bundesbahndirektion Hannover sei ihm mitgeteilt worden, daß Manfred V. zwar auf eigenen Wunsch „aus familiären Gründen“ nach Oldenburg versetzt worden sei und dort Innendienst versehe, eine Suspendierung aber bislang nicht in Erwägung gezogen wurde. Wann das Verfahren gegen den Bahnbeamten eröffnet wird, war gestern nicht zu erfahren.

Andreas Hoetzel