Wie fährt man im Osten schwarz?

■ Auch in den S- und U-Bahnen der DDR-Hauptstadt treiben Kontrolettis ihr Unwesen / Erwischte Westler ohne Fahrschein müssen 60 D-Mark berappen / Ost-Kontis schnüffeln ehrenamtlich

Kaum jemand hat bisher in Ost-Berlin Kontrolleure gesichtet. Doch es gibt sie! Ehrenamtlich gehen sie in der Freizeit auf SchwarzfahrerInnen-Fang. In den S-Bahnen arbeiten sie in blauer Uniform mit Mütze, denn dort sind ausschließlich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Reichsbahn im Einsatz. In U-Bahn, Straßenbahn und Bussen muß auch mit freundlichen Damen und Herren in Zivil gerechnet werden, die ihre Kontrollberechtigung vorweisen. Die zuständigen Berliner Verkehrsbetriebe (BVB) beschäftigen nämlich auch Leute, die sonst zum Beispiel auf dem Bau oder in der Kaufhalle arbeiten. Geld gibt's nicht, es lockt nur die Aussicht, auch mal Druck machen zu können. Wenn ein Schwarzfahrer kein Geld dabei hat, dürfen auch die Personalien aufgenommen werden.

Wie oft kontrolliert wird, konnten die Pressesprecher bei Reichsbahn und BVB nicht sagen. Das käme auf die freiwilligen Helfer an, einen Plan gebe es nicht. Der BVB -Sprecher nannte es aber „nicht üblich“, daß kontrolliert werde. Er selbst sei in vier Jahren auf der täglichen Strecke von Marzahn zum Alexanderplatz erst einmal nach dem Fahrschein gefragt worden.

Bei der Reichsbahn-Pressestelle war lediglich bekannt, daß pro Jahr etwa eine Million Strafgelder in die Kasse kommen. Das macht bei 20 Mark „erhöhter Beförderungsgebühr“ immerhin 50.000 ertappte Nahverkehrssünder jährlich. Der Dumping -Preis von 20 Pfennigen pro Fahrstrecke ist einigen also wohl noch immer zu hoch.

Auch WestberlinerInnen kön nen in Ost-Berlin mit Ost-Fahrscheinen fahren, wenn sie keine Zeitkarte besitzen oder ihre 2,70-Fahrkarte der BVG nach zwei Stunden abgelaufen ist. Die Entscheidung für den Nulltarif in Ost-Berlin kann 60 Westmark kosten, wenn die Kontis kommen. Denn, so der Pressesprecher der BVG, „die Vorgänge werden gegenseitig abgegeben“. Soll heißen: Schwarzfahrer (Ost) in West-Berlin zahlen an die BVB, Schwarzfahrer (West) in Ost-Berlin an die BVG.

Katja Niedzwezky