GIs im Mauerfieber - Souvenirjäger, was sonst

■ Amerikanische Studenten diskutierten mit GIs in Berlin / Was denken die hier stationierten Soldaten über die Stadt nach Öffnung der Mauer? / Erst Euphorie, dann „business as usual“ / „Berlin-Experte“ ist jetzt dick im Mauer-Geschäft

Die Leiterin des „American Research Program for Students“, Doris Mueller, hatte sich alles so schön ausgedacht. Sie wollte zwölf StudentInnen aus Ohio und Michigan, die hier seit einigen Wochen an der FU Deutsch und Politische Geschichte lernen, etwas Besonderes bieten: Eine gemeinsame Diskussion mit in Berlin stationierten US-Soldaten war geplant. Die GIs sollten über ihre Eindrücke der „DDR -November-Revolution“ berichten, erzählen, warum sie überhaupt noch hier sind. Der Kontakt zu den Soldaten wurde über die US-Mission aufgenommen, eine Gastfamilie in dem abgeschotteten amerikanischen Wohnquartier an der Clayallee gefunden, Tacos mit Avocadofüllung vorbereitet, Bier und Cola kaltgestellt. Ja, und dann warteten die Studenten, den Kopf voll mit Fragen, denn das Ereignis war als „exklusiv“ angekündigt. US-Soldaten gelten als sehr diskussionsunwillig.

Lag es an der akademisch formulierten Einladung, die Studenten wissen es nicht. Statt des angekündigten Dutzend Soldaten erschienen jedenfalls gerade drei GIs. Und diese drei waren mundfaul oder zumindest emotional erschlagen von dem geballten Interesse, das ihnen entgegenschlug.

Alles wollten die Studenten, wohl informiert durch theoretisches „Mauerintensivstudium“, auf einmal wissen, vor allem eines: „Haben Sie das Gefühl, in Berlin immer noch die Freiheit verteidigen zu müssen?“ Nein, das hatten die Soldaten nicht, sie hätten hier schon vor zwei Jahren gedient, und genau den gleichen Job machten sie immer noch. Wenn man durch den Grunewalder Dreck robbt oder in der Kaserne Flinten putzt, ist einem die „Freiheit“ völlig egal. Es geht um alliierte Präsens in Berlin, und wie man die zeigt, ist völlig unerheblich. Sie könnten sich vorstellen, daß diese schrittweise abgebaut wird, aber „man kann den Kommunisten nicht trauen“. Sicher, in den ersten Wochen des Novembers waren sie sehr euphorisch. Aber das hat sich schnell gelegt, jetzt gibt es wieder „business as usual“. Gemunkelt wird, erzählen sie, daß die jährliche Truppenparade am 17. Juni eventuell ausfallen wird. Das wäre dann der einzige Unterschied, für sie persönlich allerdings nicht, denn dabei gewesen waren sie noch nie.

Über die „Wiedervereinigung“ haben sie in dem Kasernenkurs „World News“ nie geredet, auch mit ihren Vorgesetzten nicht. Warum auch, meinen sie, denn solange die „Commies“ noch einen Fuß in Germany haben, haben sie ihren hier auch noch drin. Über Politik wird in den Kasernen fast nie gesprochen, enttäuschen sie die Studenten, in Uniform ist das Thema tabu, und in Zivil hat man andere Probleme. Mehr als die löchrigen Grenzen, die für sie nie zu waren, bewegt sie der sinkende Dollarkurs. Für die paar „bucks“, die sie monatlich einstreichen, könnten sie außerhalb der „Trumann-Plaza“, dem US-eigenen Einkaufszentrum, sowieso nichts kaufen, „und im Osten gibt es nichts“.

Immerhin, „Stories“ werden sie bald nach Hause bringen, am Brandenburger Tor waren sie alle mal gewesen. Viele trafen dort zum ersten Mal einen „real German“, ob Ost oder West können sie nicht sagen, es hapert an der Sprache. Richtig deutsch ist für sie die Mauer, und die gibt es ja jetzt umsonst. Da haben sie zugeschlagen. Ein Fellow aus der McNean-Kaserne gilt als besonders „good German-Expert“. Er hat in Lichterfelde schon viele Kilo Beton herausgeschlagen und wird sie in den USA verkaufen. Über seine Abwesenheit waren die Studenten sehr traurig, denn mit einem richtigen „Deutschland-Experten“ hätten sie bestimmt gerne geredet.

AK