Chancengleichheit?

■ Westparteien als Wahlkämpfer in der DDR

Bisher hatte man anstandshalber wenigstens noch das Deckmäntelchen angelassen: Wahlkampfhilfen bundesrepublikanischer Parteien für befreundete Bruder- und Schwesterparteien sei es in El Salvador, Portugal oder Nicaragua waren zwar ein offenes Geheimnis, aber immerhin noch ein Geheimnis. In den nur mit Akribie aufzuschlüsselnden Haushaltsplänen wohlklingender Institutionen wie Konrad-Adenauer- oder Friedrich-Ebert -Stiftungen waren diese Finanzspritzen meist schamhaft versteckt, denn Wahlkampfgelder außerhalb der eigenen Grenzen hatten immer noch den anrüchigen Charakter der Einmischung in fremde Angelegenheiten.

Mit dem Fall der Mauer ist offenbar auch diese Schamgrenze der Nichteinmischung gefallen. Wo man sich vielerorts ohnehin schon als „Deutschland einig Vaterland“ fühlt, da steht quer durch die Parteienlandschaft - von den Republikanern bis zu den Grünen - eine Parteienfinanzierung in Richtung DDR außer Frage, die in umgekehrter Richtung jahrelang zu Recht die DKP diskreditiert hat. Und Politiker, von denen man zumindest die Grundkenntnisse der öffentlich -rechtlichen Mediengesetze erwarten könnte, schlagen nun allen Ernstes vor, die DDR-Parteien (mit Ausnahme der SED selbstverständlich) sollten ihren Wahlkampf mit eigenen Sendeminuten in ARD und ZDF führen.

All das mag angesichts der jahrzehntelangen erdrückenden Vorherrschaft der SED, ihrer finanziellen Potenzen und ihres Einflusses in gesellschaftlichen Institutionen und Medien verständlich sein. Wer sieht nicht ein, daß eine Partei ohne eigenes Büro und Telefon ein Witz ist oder eine Oppositionsbewegung ohne Öffentlichkeit gegenüber jenen benachteiligt ist, die auf den parteieigenen Rotationsmaschinen täglich Millionen Zeitungsexemplare ausspucken. Mit Chancengleichheit hat diese Parteientwicklungshilfe dennoch wenig zu tun. Denn wenn was abzusehen ist - das umstrittene Verbot der Parteienunterstützung als Verhandlungsmasse aus dem gerade zusammengeschusterten Entwurf für ein DDR-Wahlgesetz wieder gestrichen wird, wird der Geldregen aus dem Westen keineswegs gleichmäßig auf die Opposition niederrieseln. Längst fahnden die finanzkräftigen großen bundesdeutschen Parteien nach adoptionswilligen und -würdigen Partnern drüben. Ihnen und nicht dem Neuen Forum, der Vereinigten Linken oder der Oppositionsgruppe Demokratie Jetzt wird dann die Geld- und Materialspritze verabreicht werden. Das einzige, was die großen Bonner Parteizentralen bisher daran hindert, ist, daß sie - mit Ausnahme der SPD - drüben nur auf eine wenig vertrauenswürdige Verwandtschaft gestoßen sind.

Die zu Recht eingeklagte Chancengleichheit gerät in den Verdacht einer Mogelpackung, die ehrlicherweise das Etikett „rechtzeitige Einflußsicherung mittels einer Satellitenpartei“ tragen müßte. Wem es tatsächlich um Chancengleichheit geht, der müßte bereit sein, einen Fonds zu gründen. Aus dem müßten dann aber alle kandidierenden Oppositionsbewegungen und Parteien bestückt werden gleichermaßen und unabhängig von ihrer Mitgliederzahl oder politischen Wertschätzung.

Vera Gaserow