Vergewaltiger genießt Vertrauens-Schutz

■ Staatsanwaltschaft ermittelt immer noch gegen Bahnpolizisten / Bundesbahn denkt nicht an Suspendierung

Gegen den Bahnpolizisten Manfred V. sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bremen wegen Vergewaltigung noch nicht abgeschlossen. An eine Suspendierung des Beamten, dem vorgeworfen wird, eine 20jährige Drogenabhängige nach ihrer Festnahme auf dem Hauptbahnhof mit dem Gummiknüppel sexuell mißbraucht zu haben (s. taz v. 10.1), ist bislang bei der Deutschen Bundesbahn nicht gedacht worden.

Die schweren Vorwürfe gegen den Beamten wurden am Dienstag im Verlaufe einer Gerichtsverhandlung gegen die Mißhandelte öffentlich bekannt. Der für Disziplinarangelegenheiten zuständige Beamte bei der Bundesbahn

direktion Hannover, Lasche, erklärte gestern gegenüber der taz, daß er „über eine solche Sache keine Auskunft geben“ könne. Der „besondere Vertrauensschutz“ gegenüber den eigenen Bundesbahn-Beamten verbiete ihm das.

Fast ein Jahr hatten die Vorgesetzten des beschuldigten Beamten nunmehr Zeit, zu den schweren Vorwürfen Stellung zu beziehen. Bereits im Januar 1989 passierte der ungeheuerliche Vorfall, seit Anfang Juli liegt ein Gutachten des Bundeskriminalamtes vor, das anhand der labortechnischen Untersuchungen des Gummiknüppels die Aussagen der vergewaltigten Frau stützt.

Dennoch sah sich auch die Bundesbahn in Bremen nicht veranlaßt zu reagieren. Im November 1989 wechselte Manfred V. zur Bahnpolizei nach Oldenburg, „auf eigenen Wunsch“, wie es heute offiziell bei der Bahn heißt. Erst vor knapp einem Monat wurde er aus dem polizeilichen Dienst entfernt und in den nichtöffentlichen Eisenbahndienst versetzt. Erst zu diesem späten Zeitpunkt, so der Leiter der Bremer Bahnpolizei am Hauptbahnhof, Kelle, habe die Bundesbahn von dem BKA-Gutachten Kenntnis erhalten. An eine vorläufige Suspendierung sei aber nicht zu denken, erklärte Kelle, das käme einer Vorverurteilung gleich.

Von den diensthabenden Bahnpolizisten war gestern zu den Vorkommnissen an jenem 21. Januar vergangenen Jahres keinerlei Stellungnahme zu bekommen. „Ein guter Kollege“ sei Manfred V. gewesen, über den es „nie Klagen gegeben“ habe, das war zu erfahren, ansonsten ging kaum ein Wort über die Lippen Auch seine Einlassung zu den Analysen des BKA befanden sie für „plausibel“. Demnach habe er die festgenommene Drogenabhängige in einem verwahrlosten Zustand vom Bahnhof zur Polizeiwache abgeführt. Sie sei mehrmals gestolpert und habe dabei dreckige Wäsche auf den Boden fallen lassen. Er habe ihr geholfen, die Sachen wieder in die Plastiktüten zurückzustopfen. Auf diesem Wege seien die vom BKA festgestellten Scheidensekrete an den Gummiknüppel gelangt.

Warum auch die Staatsanwaltschaft trotz der seit Juli vorliegenden Indizienbeweise sich noch

immer nicht zur Erhebung der Anklage entschließen konnte, war gestern nicht zu erfahren. Die ermittelnde Staatsanwältin Trau befindet sich derzeit im Urlaub, fest steht lediglich, daß vor dem zuständigen Richter derzeit Zeugen gehört werden.

In einer ersten Stellungnahme zu dem gestern von der taz publik gemachten Vergewaltigungsvorwurf bezeichnete die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Carola Schumann das Verhalten der Bundesbahn als „unvorstellbar“. - „Statt bis zur Klärung der Vorwürfe den Beamten zu suspendieren, ignoriert die Bundesbahndirektion die schwerwiegende Anklage und behandelt das ganze offenbar als Kavaliersdelikt“, schreibt Frau Schumann weiter. Insbesondere aus Verantwortung gegenüber den weiblichen Beschäftigten und Kundinnen solle die Bahn eindeutig Position beziehen.

Andreas Hoetzel