Verhalten „wie in der Opposition“

■ Trotz anderslautender Koalitionsvereinbarungen werden weitere Bunkerinstandsetzungen geplant / Hilde Schramm (AL) ist sauer auf den Senat

„Der Senat von Berlin wird alle eigentlichen Zivilschutzmaßnahmen und -planungen anhalten und nach Wegen suchen, diese zurückzunehmen“, heißt es in den Anlagen zur rot-grünen Koalitionsvereinbarung. Ungeachtet dieses Beschlusses plant der Senat zum Herbst dieses Jahres nun aber den Ausbau eines Hochbunkers in Tempelhof. Entsprechende Vorarbeiten laufen bereits, bestätigt die Antwort aus der Senatsverwaltung für Inneres auf eine kleine Anfage der Vizeparlamentspräsidentin Hilde Schramm. „Ich hätte der Koalition eine derartige Blamage gerne erspart“, ärgert sich Schramm, die auch AL-Fraktionsmitglied ist. Bereits im Frühjahr 89, kurz nach der Senatsbildung, erfuhr sie von dem Vorhaben. Erst nach ergebnislosen „Sondierungen“ und einem unbeantworteten Brief an Innensenator Pätzold suchte sie die Öffentlichkeit. Schließlich stellten die Fraktionen der AL und SPD im Parlament den Antrag, keine weiteren Bunkerausbauten beim Bund zu beantragen. „Wir verhalten uns mal wieder, als wenn wir in der Opposition wären“, wettert Schramm über die häufigen Unstimmigkeiten mit dem Senat. Die friedenspolitisch engagierte Abgeordnete bescheinigt der Pätzold-Behörde „vorauseilenden Gehorsam“. Ihrer Meinung nach hätte der Senat keine aktiven Schritte in Sachen Bunkerinstandsetzung einleiten dürfen und bei Schwierigkeiten mit Bonn nach Möglichkeiten suchen müssen, die Koalitionsabsprachen einzuhalten. Das „Nutzbarmachungsprogramm“ für Bunker aus dem Weltkrieg stammt aus den siebziger Jahren und umfaßt noch 48 weitere Objekte.

Ursprünglich war der Ausbau des „Fichtebunkers“ in der Kreuzberger Fichtestraße geplant. Aufkeimende Proteste hätten die Senatsverwaltung schließlich zum Umdisponieren gezwungen, vermutet Hilde Schramm. Die zuständige Behörde möchte den Sinneswandel allerdings positiv verstanden wissen: „Die neue Terminsetzung läßt noch Spielraum für Gespräche mit dem Bund und den Alliierten“, rechtfertigt Volker Henkel, Referatsleiter der Senatsverwaltung für Inneres, die Entscheidung für den jetzt anvisierten Bunker in der Friedrich-Karl-Straße. Die Vizepräsidentin des Parlaments hingegen hält dieses Vorgehen für einen „bürokratischen Selbstlauf“. Die Bemühungen des Senats, sich mit dem Bund oder den Alliierten hinsichtlich geplanter Zivilschutzvorhaben zu arrangieren, seien gleich Null. Tatsächlich konnte beim Innensenat „aus politischen Gründen“ niemand Auskunft darüber geben, ob solche Gespräche bereits eingeleitet wurden.

„Dabei kann ich mir nicht vorstellen, daß die Alliierten darauf drängen, neue Bunker auszubauen“, so Schramm. Schließlich gehe es dabei nicht um eine juristische, sondern um eine politische Entscheidung.

Die Anordnung der Alliierten über Zivilschutz in Berlin von 1965 schreibt Schutzmaßnahmen gegen mögliche bewaffnete Angriffe aus dem Ostraum vor. Wenn diese Angriffsgefahr nicht (mehr) gegeben ist, sind auch Bunker überflüssig, so der einfache Umkehrschluß. Angesichts der aktuellen politischen Situation - nicht nur in Berlin - erscheinen weitere Zivilschutzbemühungen besonders absurd. „Seit Jahren ist kaum noch jemand von solchen Maßnahmen überzeugt, die Leute raufen sich doch die Haare, wenn unter Rot-Grün jetzt wieder Bunker instand gesetzt werden“, befürchtet Hilde Schramm.

Silke Langhoff