„Beste Verfassung“

■ Herr Momper zieht nach 300 Tagen rot-grüner Koalition Bilanz: „Bürgernahe“ und offen für Kritik

Schon in der nächsten Woche wird sich Momper erneut mit dem DDR-Ministerpräsidenten Modrow treffen. Das gab der Regierende gestern auf seiner Jahresbilanz-Pressekonferenz bekannt. Daß die SPD in Bonn derzeit vom Kanzler fordert, sich nicht mit der DDR-Regierung zu treffen, weil dies einer Wahlkampfhilfe für die SED gleichkomme, spielt für Momper offenbar keine Rolle. Deshalb ist es für ihn auch klar, daß er die Vereinbarungen über die Olympiade 2000 „natürlich noch vor dem 6. Mai“ mit der DDR und Ost-Berlin eintüten will. Spätestens hier wird klar, daß die Forderung der Bonner Sozialdemokraten pure Oppositionspropaganda ist.

Doch eigentlich wollte der Regierende eine Bilanz für 300 rot-grüne Tage ziehen. Es sei dem Senat gelungen, sagte er, in den meisten Bereichen „Neuorientierungen“ durchzusetzen. Die Stadtpolitik orientiere sich an den Grundsätzen von Ökologie, Liberalität und Solidarität. „Bürgernäher“ sei sie geworden und offener für Kritik. Dann wiederholte er in Stichworten die Vorhaben und Grundsätze der Koalitionsvereinbarung: In der Wohnungspolitik habe die Regierung das Steuer „herumgerissen“, und in der Verkehrspolitik seien die „Weichen gestellt“, um den drohenden „Kollaps der Stadt durch den Individualverkehr“ zu verhindern. „Frauenpolitik ist für uns keine modische Attitüde, sondern tragende Säule der rot-grünen Senatspolitik“, meinte Momper, und an dem Antidiskriminierungsgesetz werde „hart gearbeitet“. Das kommunale Wahlrecht für Ausländer soll in diesem Jahr eingeführt werden, und in Bonn will Momper eine Mietrechtsinitiative starten. Dem Senat sei es zu verdanken, daß beim Verfassungsschutz wieder „Recht und Gesetz“ gelte, und trotz des Stromlieferungsvertrags soll es ein Energiesparkonzept geben. Im Kita-Konflikt strebt er Gespräche mit den Gewerkschaften über eine mittelfristige Verbesserung der Arbeitsbedingungen an. An den sozialen Problemen Berlins aber, Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit, sei Bonn schuld. Es fließt zuwenig Geld nach Berlin. Das Thema Arbeitsmarkt und Wirtschaft kam in Mompers Jahresrück- und Ausblick nicht vor. Erst auf Nachfrage sagte der Regierende, die Arbeitsgruppe „Arbeitsplätze für Berlin“, die unter seiner Federführung nach der Senatsbildung im letzten Jahr eingerichtet wurde, habe bereits „gute Ergebnisse“ erzielt.

Glaubt man Momper, ist die rot-grüne Koalition in bester Verfassung. Er ist „unvergleichlich viel sicherer“, sagte er gestern, „daß ich die Koalition über die Legislaturperiode bringen werde“. Die „streitbare Zusammenarbeit“ zwischen den Parteien dürfe man nicht mit Schwäche verwechseln, sagte der Mann, der nicht der „Kindergärtner der AL“ sein will.

bf