Auf Schicht erpicht

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(Di, ZDF, 19.30 Uhr) Schichtarbeit schafft mehr Freizeit warum bloß sind da die Gewerkschaften nicht schon früher draufgekommen! Horst Dankert führt uns mit seiner Reportage Richtung 2000: Leben zwischen Last und Lust in die Chip -Produktion, hier gibt's Schichtarbeit rund um die Uhr: Steril-ästethisch gestylte Produktionsräume, Zukunftstechnologie, glückliche Schichtarbeiter at work. Für die jungen Arbeiter sei das keine Last, sie schätzen die Zulagen, weiß der Reporter. Ein Exemplar dieser Spezies - in einem Outfit zwischen Astronaut und Bienenzüchter - wird befragt: „Wie bekommt Ihnen die Schicht?“ Die vermummte Gestalt nimmt den Helm ab, es ist Herr Pickers. Er arbeitet sechs Tage bis mittags um zwei und hat dann vier Tage frei. „Wir sind zufrieden!“ Und die Familie? „Das geht super! Wir haben zwei kleine Kinder und meine Frau ist zu Haus.“ Dann wird eine glückliche Familie mit Kinderwagen gezeigt. Die Familie Pickers ist im Sportverein. Verantwortungsvolle Arbeit, ungewöhnliche Arbeitszeit - trotzdem keine soziale Isolation: ein naiver Werbefilm für Schichtarbeit? Ganz am Schluß kommt noch ein kritischer Professor kurz zu Wort, der Ausgewogenheit wegen.

Ein bißchen verwirrend war es schon: kreuz und quer durch das faszinierende Wunderland der zukünftigen Arbeit wird man geführt. Horst Danker hat nichts ausgelassen: neue Arbeitszeitmodelle, innovative Unternehmer, neue Technologien, Demokratie durch Mitarbeitermotivation, Fabrik 2000. „Die Fabrik der Zukunft wir nie ohne Menschen arbeiten können“, beruhigt uns Günther Spur, Chef vom Produktionstechnischen Zentrum in Berlin Moabit. Hohe Qualifikation ist gefragt, anspruchsvolle Arbeitsplätze haben Zukunft. Die Kamera zeigt den staunenden Zuschauern liebevoll gestaltete Produktionszentren in beschaulicher grüner US-Landschaft. Die Arbeitsplätze sind freizeitfreundlich, denn die Ansprüche steigen. Frauen mit Hanteln bei der Gymnastik: „Hier werden großzügig sportliche Anlagen zur Verfügung gestellt.“ Schnitt. Kurz wird ein Flur in irgendeinem Arbeitsamt eingeblendet, lange Schlangen. Kontrast zur Idylle. „Die Fabrik 2000 wird mit 50 Prozent der heute beschäftigten Arbeitskräfte auskommen“, erklärt Herr Warnecke von der Frauenhofer Gesellschaft. Aber trotzdem „keine Angst!“: die Roboter werden die Menschen nicht ganz vertreiben, „die automatische Fabrik wäre schnell Pleite, weil Roboter nicht innovativ denken können“.

Warum, wie angekündigt, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen sollen, wird nicht richtig klar. Zum Schluß erhebt Danker noch den moralischen Zeigefinger: Zuviel Freizeit kann schädlich sein - wenn die Menschen nichts mit ihr anfangen können. Bilder von Kaufhaus-Glamour und Las Vegas: wir sollten uns nicht von Konsumrausch und Spielhöllen verführen lassen!

Gabriele Sterkel