Gerangel um Sendezeiten

■ Wahlkampfspots für DDR-Opposition wird es mit bundesdeutschen Sendern nicht geben

EEin Gerücht geht um in den Medien - werden demnächst von BRD-Sendern Wahlkampfspots der oppsositionellen DDR-Parteien und Gruppierungen ausgestrahlt? Ginge es nach Arbeitsminister Norbert Blüm und seinem Kollegen, CSU -Generalsekretär Huber, dann sollten die Rundfunk- und Fernsehanstalten hierzulande der Opposition drüben (medial) unter die Arme greifen. Vorschlag der besorgten Patrioten: Falls die SED-Regierung anderen politischen Kräften keinen ungehinderten Zugang zu den Medien verschaffe - sankioniert durch den runden Tisch -, müsse bundesdeutsche Sendezeit für die Benachteiligten her. Anderfalls sei die demokratische Entwicklung in der DDR nicht zu gewährleisten. Im DDR -Fernsehen werden allerdings Sendezeiten vergeben, das hatte DDR-Fernsehintendant Hans Bentzien den Vereinigungen und Parteien am runden Tisch jetzt angeboten (siehe Meldung).

Die Öffentlich-Rechtlichen, ARD und ZDF also, haben über dem Vorschlag aus den Unionsreihen erstmal den Daumen gesenkt. ARD-Vorsitzender Hartwig Kelm (siehe taz von gestern) wies auf eine erste juristische Prüfung hin. Der Sendeauftrag erstrecke sich beim Wahlkampf der Parteien, denen ARD und ZDF ja kostenlos Sendeplätze reservieren müssen, nur auf die Bundesrepublik, nicht auf die DDR. Und nach welchen Quoten, argumentiert Jürgen Betz vom Justiziariat des Hessischen Rundfunks, solle überhaupt Sendezeit an die vielen Oppositionsgruppen bzw. -parteien vergeben werden; bislang ist keine von ihnen durch demokratische Wahlen legitimiert. Eine durch Wahlergebnisse aufgeschlüsselte Sendezeitvergabe könne es nach dem „Grundsatz der abgestuften Verteilung“ - wie in der BRD üblich - deshalb nicht geben.

Ähnlich reserviert wie das Erste zeigte sich auch das ZDF, das anstelle der Parteienwahlspots von jenseits der Grenze ab Februar jeden Sonntag eine zusätzliche Sendereihe ausstrahlen will. Dort, so hieß es in einer eilends verbreiteten Pressemitteilung, würden sämtliche zur Wahl stehenden Organisationen - einschließlich der SED-PDS - in Diskussionen, Reportagen und Interviews ausführlich zu Wort kommen. „Ich könnte mir auch einen Fernsehgast Gregor Gysi vorstellen“, erläuterte Klaus-Peter Siegloch vom ZDF gegenüber der taz. Zudem möchte man nicht die DDR-Regierung durch eigene Wahlkampfspots aus der Verpflichtung entlassen, der Opposition den Weg in die Medien freizugeben. Die redaktionelle Verantwortung jedenfalls würde unter keinen Umständen aus der Hand gegeben, wie das bei Spots der Fall wäre.

Und die Privaten? Springen sie in die Bresche? Sie hatten für die Wünsche aus der Union Entgegenkommen signalisiert. Doch stecken sie in einem Dilemma: Da sie es bis jetzt als kommerzielle Sender ablehnen, bundesdeutschen Wahlkämpfern Sendezeit zu schenken, müßten sie sich im Fall einer an anders behandelten devisenschwachen DDR-Opposition unbequeme Fragen gefallen lassen. Deshalb haben SAT 1 und RTLplus pfiffig reagiert: Selbstfabrizierte Spots der Wahlkämpfer von drüben wird es bei ihnen nicht geben. SAT 1 plant in der gemeinsam mit 100,6-Schamoni produzierten Regionalsendung Wir in Berlin einzelne Oppositionsgruppen „zu Wort kommen zu lassen“, wie Pressesprecher Stefan Rade sagt. Ausgewogenheit soll da existieren, aber auch nicht jeder x -beliebigen Kleckergruppe Platz eingeräumt werden. Fragt sich, wie über die Fernsehpromotion letztlich im Einzelfall entschieden wird. Das politische Engagement des kommerziellen Senders SAT 1, der nach eigener Aussage einen Beitrag zur „substantiellen Chancengleichheit“ im DDR -Wahlkampf leisten möchte - löblich oder eher verdächtig?

Auch RTL beabsichtigt, mehr Sendezeit zu spendieren. Und daß es auch hier keine Spots sein werden, bekümmert Programmdirektor Thoma wenig, denn: „Es könnte uns doch nichts Schlimmeres passieren, als wenn die ihre Wahlsendungen auf ganz unprofessionelle Weise selber produzieren. Da machen wir das doch lieber!“

asw