Es reichelte schon lange

Der DDR-Umweltminister geht auf Rente  ■ K O M M E N T A R

Aus „Altersgründen“. Aha. Endlich. Viel mehr ist zu dem Rücktritt von DDR-Umweltminister Reichelt nicht zu sagen. Die eigentlichen Kommentare sind täglich in den Zeitungen nachzulesen. Erst gestern berichtete die 'Tribüne‘ über Leben und Sterben im ökologischen Katastrophengebiet um das Braunkohlewerk Espenhain, am Tag zuvor die 'Junge Welt‘ über vergiftetes Grundwasser und die Abfallmisere, am Tag zuvor der 'Spiegel‘ über das ökologische Kummerland DDR im ganzen. Fortsetzung folgt.

Daß sich der für die Verödung der DDR nominell verantwortliche Minister bis gestern im Amt halten konnte, hat er eigentlich nur seinem fehlenden Parteibuch zu verdanken. Daß er nicht in der SED war und nur als Mann der zweiten Reihe galt, hatte zum Überleben gereicht. Jetzt, wo allmählich das ganze Ausmaß der Umweltzerstörung sichtbar wird, ist aber auch Reichelt fällig geworden; genügte es nicht mehr, nicht in der Partei zu sein und gute Kontakte zum BRD-Kollegen Töpfer zu pflegen, von dem man Hilfe erwartet.

Was fällt einem sonst noch zum DDR-Umweltminister ein? Erstens: Reichelt war Minister eines im Grunde gar nicht vorhandenen Ressorts, denn Umweltpolitik fand in der DDR bislang so gut wie gar nicht statt. Zweitens: Seine Lieblingsschallplatte hieß „Wir-haben-kein-Geld-für -Umweltinvestitionen-ich-bitte-um-Ihr-Verständnis“. Drittens: Seine Einführung der sowjetischen Viehhaltung mit offenen Stalltüren war richtungsweisend. Binnen kurzem erfroren die Rindviecher im Rudel.

Daß sich Reichelt so lange im Amt halten konnte, zeigt noch etwas anderes. Die Umweltmisere war auch in der DDR nachgeordnet. Vor dem Umweltskandal rangierte der Skandal um Stalinismus, Korruption, Wirtschaftskrise, Mauer, Stasi. Es ist richtig: Die Verantwortung auch für das ökologische Desaster ist in der alten SED-Clique von Honecker, Stoph, Sindermann und Co zu suchen. Aber Reichelt hat dieses schmutzige Spiel als Umwelt-Strohmann mitgespielt. Deshalb gibt es für ihn kein Pardon. Schon eher sollte uns da sein bedauernswerter Nachfolger leid tun, der vor einer kurzfristig unlösbaren Aufgabe steht.

Manfred Kriener