Tote bei Streik

Südafrikanische Polizei griff erst ein, nachdem Kämpfe zwischen streikenden Arbeitern und Arbeitswilligen im Gange waren  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Oppositionelle Gewerkschafter haben gestern die südafrikanische Polizei scharf kritisiert, nachdem am Dienstag sechs Menschen in einem Kampf zwischen 800 streikenden Bahnarbeitern und 1.000 arbeitenden Kollegen ums Leben kamen - und das, obwohl ein starkes Polizeiaufgebot zur Stelle war. Die mit Äxten, Messern und Stöcken bewaffneten Streikbrecher hatten auf dem Germiston Bahnhof östlich von Johannesburg zwei Züge überfallen, die streikende Arbeiter zu einer Gewerkschaftsversammlung brachten. Die Polizei griff erst nach etwa 45 Minuten ein. 67 Menschen wurden bei den Auseinandersetzungen verletzt, zwölf befinden sich in kritischem Zustand.

Obwohl die Streikbrecher in Uniformen der staatlichen Bahnbehörde schwer bewaffnet auf dem Bahnhof auf die Ankunft der Züge warteten, griffen Polizisten, die den Bahnhof bewachten, nicht ein, um die sich anbahnende Auseinandersetzung zu verhindern. Sprecher der Gewerkschaftsföderation Cosatu berichteten, Polizisten hätten Tränengasgranaten in die Züge geworfen, um die Streikenden in die Hände der Angreifer zu treiben. Erst nachdem Polizeiverstärkung eintraf, wurden die kämpfenden Arbeiter auseinandergetrieben.

„Das Blut der massakrierten Arbeiter klebt an den Händen der Polizei, als ob sie selbst die Macheten geschwungen hätte“, sagte ein Cosatu-Sprecher. Die Gewerkschaften werfen der Bahnbehörde vor, wiederholt bewaffnete Gruppen von Streikbrechern organisiert zu haben, um streikende Arbeiter anzugreifen. Aber auch den streikenden Arbeitern wird vorgeworfen, mit Gewalt gegen Kritiker vorgegangen zu sein.

Bisher sind im Zuge des Ausstandes, der bereits Anfang November begann, 22 Menschen ums Leben gekommen. 22.500 streikende Arbeiter wurden gefeuert, etwa 3.000 sind noch immer im Ausstand. Brandstiftung und Sabotage hat Schaden von etwa 40 Millionen Rand (etwa 28 Mio. Mark) verursacht, während die streikenden Arbeiter Lohneinbußen von mehr als 20 Millionen Rand (14 Mio. Mark) hinnehmen müssen.

Die Arbeiter fordern Anerkennung der schwarzen Gewerkschaft Sarhwu und eine Verdoppelung des Mindestlohnes auf monatlich 1.500 Rand (1.050 Mark). Bis vor kurzem waren unabhängige Gewerkschaften für Schwarze in staatlichen Betrieben nicht zugelassen. Sarwhu konnte sich bei einem ebenfalls blutigen Streik vor zwei Jahren allerdings dennoch durchsetzen und die Wiedereinstellung der streikenden Arbeiter erreichen. Die Gewerkschaft wurde aber trotzdem nicht vom Management formell anerkannt.