„Geheime Fakten“

■ Der Berliner Generalstaatsanwalt Dieter Schultz zur Haftentlassung von Alexander Schalck-Golodkowski

taz: Herr Schultz, welche Gründe haben sie bewogen, dem Auslieferungsbegehren der DDR-Behörden in Sachen Schalck -Golodkowski nicht nachzukommen?

Dietrich Schultz: Ich hatte nicht mehr die sichere Gewähr, daß es für ihn ein rechtsstaatliches Verfahren in der DDR gibt. Deshalb mußte ich eine Zulieferung verweigern.

Worin bestanden denn Ihre Zweifel?

Zunächst war ich auf Grund des Gesuches entschlossen, Schalck-Golodkowski den DDR-Behörden auszuliefern. Dann haben sich aber in letzter Sekunde Fakten aufgetan, die meine Zweifel nicht ausgeräumen konnten.

Von welche Fakten sprechen Sie?

Wie ich schon in einer Presseerklärung gesagt habe, sehe ich mich leider daran gehindert, diese Fakten bekanntzugeben. Sie sind als „geheim“ eingestuft, und ich darf sie nicht ausplaudern.

Aber es geht doch wohl um eine nachrichtendienstliche Tätigkeit, die dem Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski in der DDR vorgeworfen werden könnte.

So in etwa. Aber nicht nachrichtendienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland. In diesem Fall hätten wir ja ein Verfahren hier gegen ihn einleiten müssen. Als ich hörte, daß bezüglich Schalk-Golodkowski Sicherheitsfragen bestehen, habe ich mich sofort mit dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes in Verbindung gesetzt und ihn um eine Einschätzung der Sicherungslage gebeten. Er konnte nicht ausschließen, daß sowohl hier als auch drüben Sicherheitsbedenken bestehen. Wir haben deshalb sofort die nötigen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen.

Das ist doch ein deutlicher Hinweis dafür, daß Herr Schalck zum BND übergelaufen ist...

Nein...

Aber es hört sich wie eine typische Agentengeschichte an.

Das könnte natürlich sein. Selbstverständlich sind alle möglichen Dienste und andere Insitutionen an ihm interessiert. Aber ich weise noch einmal darauf hin, daß mein Besuch beim BND zunächst nur darin bestand, mich nach einer möglichen Gefährdung zu erkundigen. Bei dieser Gelegenheit habe natürlich auch nach anderen Sachen gefragt, und es wurden mir Erkenntnisse vorgetragen, die ich aber für mich behalte.

Sie haben auf Ihrer Pressekonferenz Drohbriefe erwähnt, die Sie und der Anwalt Schalck-Golodkowskis erhalten haben.

Uns sind verschiedene Drohbriefe zugegangen. Ich habe eine Aktenmappe voll davon. In einem hieß es, „wir werden uns an ein Terrorismuskommando wenden und das Entsprechende veranlassen“. Ich habe die Drohbriefe in Bezug auf meine Person zwar ernst genommen, aber nicht so ernst, daß ich darin eine strafbare Handlung erkennen konnte. Die Ankündigung einer Gefangenbefreiung allein ist nicht strafbar.

Wer hat denn ein besonderes Interesse an Schalck -Golodkowski?

Viele. Viele aus dem Osten und viele aus dem Westen. Ich sagte ja, daß ich eine dicke Mappe von Briefen habe. Das waren aber nicht alles Drohbriefe. Wenn zum Beispiel ein Künstler schreibt, dem können Sie doch nichts antun, da standen ganz andere dahinter, dann kann ich das ja nicht als Drohbrief werten.

Interview: Wolfgang Gast