Ist Schalck ein BND-Agent?

Dr.Töplitz (CDU) ist Vorsitzender des Volkskammerausschusses zur Untersuchung von Amtsmißbrauch und Korruption  ■ I N T E R V I E W

taz: Was sagen Sie zur Freilassung von Schalck-Golodkowski und zur Begründung dieser Entlassung?

Töplitz: Ich halte diese Begründung für abwegig. Es gab ganz klare Erklärungen, daß der Prozeß ein faires Verfahren sein wird und daß nur Dinge, die vereinbart sind, zur Verhandlungen kommen. Insofern ist die Entscheidung des Westberliner Generalstaatsanwaltes völlig unverständlich. Ebenso unverständlich ist es, daß er sich auf Verjährung beruft. Da die Untersuchung gegen Alexander Schalck -Golodkowski gar nicht richtig in Gang kommen konnte, weil er ja nicht da war, ist keineswegs gesagt, daß die untreuen Handlungen, um die es ja ging, 1989 auch wirklich beendet waren. Sie können ja bis in die jüngste Zeit gereicht haben, so daß das Verjährungsargument überhaupt nicht zieht. Drittens befremdet es uns außerordentlich, daß der Westberliner Generalstaatsanwalt sich auf eine Konsultation mit dem Bundesnachrichtendienst beruft. Das provoziert den Verdacht, daß hier ganz andere politische Tatsachen maßgebend waren als die, die öffentlich genannt wurden.

Was vermuten Sie denn?

Das ist natürlich schwer zu erraten. Ich würde sagen, daß möglicherweise es auch im Bundesnachrichtendienst Stellen gibt, die nicht gerade interessiert sind, daß Schalck bei uns aussagt.

Das klingt so, als ob Sie vermuten, daß es schon vorher eine Zusammenarbeit zwischen dem BND und Herrn Schalck -Golodkowski gab?

Ich weiß es nicht. Ich habe ja mir selbst versucht, mir diese Pressemeldung zu erklären. Und ich kann keine andere Erklärung finden.

Nun ist die Vermutung auch nicht von der Hand zu weisen, daß die ehemalige Staatssicherheit daran interessiert sind, daß ein Schalck-Golodkowski nicht aussagt?

Das ist eine durch nichts zu beweisende Vermutung. Jedenfalls ist es offensichtlich, daß solche Interessen für die Westberliner Staatsanwaltschaft nicht maßgebend waren, Schalck-Golodkowski freizulassen.

Sie sind ja der Ausschußvorsitzende. Was heißt das für die Arbeit des Untersuchungsausschusses, daß dieser Mann nicht mehr verfügbar ist?

Das ist nicht unser Problem, das ist das Problem der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren angestrengt, und wir, der Ausschuß, haben alles abgegeben, was zu diesem Ermittlungsverfahren gehört.

Sie behandeln den Komplex „kommerzielle Koordination“ überhaupt nicht?

Wir haben nur einige Randfragen behandelt - welche Häuser durch welche Leute und mit welchen Geldern gebaut worden sind zum Beispiel.

Aber Sie haben ja eine gewisse Kenntnis des Sachverhaltes: Ist es denn überhaupt daran zu denken, wenn Schalck -Golodkowski nicht mehr verfügbar ist, daß noch der Gesamtkomplex juristisch aufgeklärt wird?

Ich denke schon. Die ganzen Betriebe, die zur Debatte stehen, unterliegen schließlich der staatlichen Revision. Alle diese Dinge kann man aufklären.

Die taz sprach auch mit Prof. Volker Klemm (NDPD), dem stellvertretenden Vorsitzenden des Volkskammerausschusses zu Amtsmißbrauch und Korruption.

taz: Herr Professor Klemm, die Westberliner Justizbehörden haben die Nichtauslieferung von Schalck-Golodkowski mit dem Argument begründet, es seien in der DDR „Überreaktionen“ zu erwarten. Was sagen Sie zu diesem Argument?

Klemm: Ich glaube, daß dieser Vorwurf nicht zutrifft. Im Gegenteil, die Generalstaatsanwaltschaft hat eine Vielzahl von Angeboten gemacht, die ein rechtsstaatliches Verfahren garantiert hätten.

Welche Angebote?

Beispielsweise hatte der Generalstaatsanwalt angeboten, daß Dr. Schalck-Golodkowski nach dem Prozeß und einer eventuellen Verurteilung wieder den Westberliner Behörden überstellt wird.

Wie also beurteilen Sie die Entscheidung des Generalstaatsanwalts in West-Berlin?

Für mich ist das eine politische Entscheidung.

Politisch mit welchem Ziel?

Es ist davon auszugehen, daß bestimmte Dinge nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten. Die Geschäfte von Dr. Schalck-Golodkowski betreffen sicher viele westliche Firmen. Wir haben den Eindruck, daß das geheim gehalten werden sollte...

Betrifft das Ihrer Meinung nach auch die Waffengeschäfte?

Das könnte sein.

Interviews: Klaus Hartung