Politischer Schutz für Schalck-Golodkowski

■ Abschiebung des DDR-Chefdevisenbeschaffers Schalck-Golodkowski in die DDR abgelehnt / Zweifel an rechtsstaatlichem Verfahren / Der Staatsanwalt hatte BND-Informationen über mögliche Anklage wegen nachrichtendienstlicher Tätigkeit / Kontakte Schalcks zum BND?

Berlin (taz)- Der ehemalige Chefdevisenbeschaffer der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski, ist wieder frei. Der Generalstaatsanwalt beim Berliner Kammergericht, Dietrich Schultz, lehnte am Dienstag nachmittag die von der DDR beantragte Auslieferung des früheren Außenhandelsstaatssekretärs ab. Nach über einem Monat Untersuchungshaft setzte er den Haftbefehl aus - Schalck -Golodkowski wurde aus der Haft entlassen. Berlins oberster Staatsanwalt erklärte, die DDR-Justiz habe seine Zweifel nicht ausräumen können, daß hinter den Vorwürfen der schweren Untreue Vorwürfe wie etwa der des Landesverrats stehen könnten.

Inzwischen mehreren sich die Anzeichen, daß Schalck weniger wegen fehlender Rechtsstaatlichkeit (wie offiziell angeführt), sondern eher aus politischen Erwägungen nicht ausgeliefert wurde. Die bundesdeutschen Behörden hätten bei einem Gerichtsverfahren möglicherweise mit Enthüllungen über seine Kontakte zu anderen Sicherheitsbehörden rechnen müssen. Vermutet werden insbesondere Kontakte Schalck -Golodkowskis zum Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach. Staatsanwalt Schultz räumte ein, er hätte vom Präsidenten des BND Erkenntnisse mitgeteilt bekommen, die auf eine Gefährdung des Beschuldigten hindeuteten. Schalck könnte in DDR wegen „geheimdienstlicher Tätigkeit“ angeklagt werden. Der Staatssekretär, der für den Bereich „kommerzielle Koordinierung“ tätig war, habe lediglich drei Vorgesetzte gehabt: den gestürzten Staatschef Honecker, den inhaftierten ehemaligen Staatssicherheitsminister Erich Mielke und Honeckers engsten Berater Günter Mittag, ebenfalls in Haft. Der Beschuldigte sei mithin ein Mann, an dem die verschiedensten Geheimdienste ein Interesse hätten.

Daß Schalck-Golodkowski zu ungunsten der Bundesrepublik tätig gewesen sein könnte, schloß Schultz aus. In diesem Fall hätte Generalbundesanwalt Rebmann ein Verfahren gegen ihn eingeleitet. Rebmann habe zu einem Einschreiten aber keinen Anlaß gesehen. Die von Schultz angeführten Zweifel erscheinen auch deshalb nicht schlüssig, weil der DDR -Generalstaatsanwalt eine Auslieferung Schalck-Golodkowskis an die Bundesrepublik im Anschluß an ein Gerichtsverfahren in Ost-Berlin zugesichert hatte.

Der Aufenthaltsort Schalck-Golodkowskis ist unbekannt, nach den Worten des Berliner Generalstaatsanwaltes wird sein Schutz von der Polizei wahrgenommen. Ein BND-Sprecher wollte gestern die Anfrage nach Kontakten zu Schalck-Golodkowski nicht beantworten. Aus grundsätzlichen Erwägungen gebe die Behörde keine Auskünfte. Beim Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz wurde dementiert, irgendetwas mit der Inhaftierung noch mit der Freilassung des 61jährigen Waffenhändlers zu tun zu haben.

Der DDR-Generalstaatsanwalt äußerte sich 'adn‘ zufolge befremdet. Die im vergangenen Jahr ausgeschriebene internationale Fahndung wird angesichts dieses Vorgehens aufrechterhalten.

wg.