Zweiter Freispruch in Memminger Prozeß

Frauenarzt konnte „Beihilfe zum illegalen Schwangerschaftsabbruch“ nicht nachgewiesen werden / Schlappe für Staatsanwaltschaft  ■  Aus Memmingen Luitgard Koch

Blaß verläßt die junge Frau den Gerichtssaal. Sie atmet tief durch, dann laufen ihr die Tränen herunter. „Staatsanwalt Krause ist mir wie ein Geier vorgekommen, der auf mich einhackt.“ Immer noch spielen sich im Memminger Gerichtsgebäude derartige Szenen ab. Schuld daran sind Staatsanwalt Herbert Krause und Oberstaatsanwalt Peter Stoeckle mit ihrem Verfolgungseifer. Erneut mußte sich am vergangenen Dienstag ein Frauenarzt vor Gericht verantworten. Und wieder wurden dabei die Frauen an den Pranger gestellt. „Beihilfe zum illegalen Schwangerschaftsabbruch“ warf die Staatsanwaltschaft dem Günzburger Gynäkologen Hartmut Goerlich vor, weil er drei seiner Patientinnen vor fast sieben Jahren in die Praxis von Dr. Theissen überwiesen hatte. Doch zum zweiten Mal mußte der schneidige Herbert Krause in einem Nachfolgeprozeß zum umstrittenen Memminger Urteil eine Schlappe einstecken. „Freispruch“, verkündete Richter Rüdiger Bochum nach vierstündiger Verhandlung. Goerlich hatte „auch nicht gerüchteweise davon Kenntnis, daß er seine Patientinnen an einen Arzt weiter verweist, der die gesetzlichen Bestimmungen mißachtet“, so die Urteilsbegründung.

Drei Frauen waren zur Vernehmung vor den Kadi gezerrt worden. Um einen Auftritt vor Gericht zu vermeiden, hatten sie bereits vorher widerspruchslos ihren Strafbefehl bezahlt. Über eineinhalb Stunden dauerte die quälende Befragung hinter verschlossenen Türen. „Die lange Vernehmung der Zeuginnen war nicht vermeidbar“, behauptete Bochum. Denn: Hätte auch nur eine der Frauen ausgesagt, daß sie ohne Indikation zu Theissen geschickt worden sei, wäre der Günzburger Frauenarzt verurteilt worden. So aber stellte Richter Bochum fest: „Der Angeklagte kann nicht als Gehilfe für einen nicht gesetzlichen Schwangerschaftsabbruch verurteilt werden. Ob bei den drei Patientinnen ein illegaler Abbruch durchgeführt worden sei, stehe hier freilich nicht zur Debatte. Damit versuchte sich Bochum aber auch abzusichern, um den Christsozialen keine Möglichkeit zur Richterschelte zu geben. Die nämlich haben bereits einen Regensburger Professor beauftragt, ihre Chancen vor dem Verfassungsgericht zu prüfen, um Abtreibung auf Krankenschein endlich zu verhindern und auch generell den §218 verschärfen zu können. „Dieses Urteil wird für die politische Diskussion, wo die Grenzen des §218 liegen, nichts bringen, weil es nicht darum ging, ob eine Indikation vorlag oder nicht“, betonte Richter Bochum deshalb ausdrücklich. Während Verteidiger Edgar Musselmann auf Freispruch plädierte, war für den Junggesellen Herbert Krause klar: „Der Arzt hat in drei Fällen dazu beigetragen, daß menschliches Leben vernichtet wurde.“ Und das könne nur mit einer „empfindlichen“ Geldstrafe von 8.000 Mark geahndet werden. Aber auch Krause sah in diesem Prozeß anscheinend schon seine Felle davonschwimmen. Nach langem Hin und Her erklärte sich die Staatsanwaltschaft grundsätzlich bereit, das Verfahren einzustellen. Allerdings nur mit einer Geldstrafe von 6.000 Mark. Damit aber biß er bei Richter Bochum auf Granit. Doch hatte Krause immerhin die Möglichkeit, in seinem Plädoyer genüßlich die Schicksale der Zeuginnen auszubreiten. Aus Angst, daß ihr bei der Caritas gekündigt wird, wenn sie ein uneheliches Kind bekommt, hatte eine der drei Frauen abgetrieben. „Ich bin überzeugt, daß das nicht passiert wäre“, behauptete der Staatsanwalt über die kirchliche Einrichtung. Außerdem wußte der Scharfmacher „aus anderen Verfahren“, daß in Günzburg genügend Pflegestellen zur Verfügung stehen. Rot sah Krause immer dann, wenn es auch nur im entferntesten um das Selbstbestimmungsrecht der Frauen ging. Und auch bei Dr. Goerlich glaubte er gehört zu haben, daß der Frauenarzt „das, was die Frauen wollen, in den Vordergrund stellt“. Mit verkniffenen Mund stellte er klar: „Das ist eine Möglichkeit, aber nicht die, die das Gesetz vorschreibt.“ Immer wieder betonte dagegen der in Scheidung lebende Frauenarzt und Vater von vier Kindern, daß er grundsätzlich keine Schwangerschaftsabbrüche durchführe. Völlig perplex reagierte Herbert Krause auch, als er hörte, daß die Frau des Arztes nichts zum Unterhalt der Kinder beiträgt. „Sie versucht sich gerade auf die eigenen Füße zu stellen“, bemühte sich der Arzt seinem jungen Gegenüber zu erklären.