Rote, grüne und blaue Punkte

■ Bausenator Nagel stellt Bilanz der Wohnungsneubauplanung vor / Schulterschluß mit der CDU / Blattgold für Hausbesitzer / Grundstücksspekulation zieht an

„Könnt ihr nicht wenigstens ein Haar in der Suppe finden“, sagt die Reporterin verzweifelt zum Vertreter des Hausbesitzerverbandes, der aber, wie zuvor schon der des Mietervereins, das Begehr ablehnt. 7.500 bewilligte Wohnungen, davon knapp die Hälfte im Sozialwohnungsbau zu „ausgeknautschten“ Kostenmieten, plus 1.000 freifinanzierte Dachgeschosse - Nagels Bilanz von 1989, die beste seit sieben Jahren, kann sich sehen lassen. Und: Für das nächste Jahr liegen bereits jetzt 6.200 Anträge vor, 5.200 davon für Sozialwohnungen. Zur Verdeutlichung präsentierte der rundrum strahlende Bausenator eine Berlin-Karte mit einem „Flickenteppich“ vieler roter, grüner und blauer Punkte. Jeder davon steht für eins, zwei, drei Häuser: „Damit Sie mal sehen, daß wir keine Trabantenstädte bauen“, sagte Nagel. Da seien er und Kollegin Schreyer sich einig.

Gut sechzig Prozent der Sozialwohnungen werden von privaten Bauherren gebaut, die hätten keinen Grund, über Rot-Grün zu klagen. „Die müssen sich ja nicht immer eine massiv goldene Nase verdienen, Blattgold reicht auch“, meinte Nagel aufgeräumt. Zu Blattgold wird es wohl reichen, denn die Kostenmiete im Sozialwohnungsbau stieg um etwa zehn Prozent auf 26 Mark pro Quadratmeter und Monat. Freilich akzeptiere man nicht jedes beliebig teure Bauvorhaben, sondern lehne manche ab. Die geplanten 35.000 Wohnungen für diese Legislaturperiode kosteten immerhin 736 Millionen Mark, dazu kämen langfristig weitere 3,6 Milliarden Mark an Zinskosten. Wo denn die Schmerzgrenze liege, wollte Nagel aber nicht sagen. „Bei allem, was mehr als 28 Mark pro Quadratmeter kostet, wird der Antrag zurückgestellt“, meinte eine Vertreterin des Hausbesitzerverbandes zur taz.

„Wenn die Berliner Firmen zu teuer bauen, muß die Bauwirtschaft auf westdeutsche Angebote zurückgreifen“, schlug Nagel vor. Die Preise zu senken, indem man Bauarbeiter aus der DDR beschäftige, lehnte er ab. „Sonst steigt uns die Gewerkschaft aufs Dach.“ Sorgen machen Nagel die gestiegenen Grundstückspreise nach der Maueröffnung. „Seitdem kaufen private Bauherren verstärkt Grün- und Landwirtschaftsflächen, in der Hoffnung, das wird mal Bauland“, sagte Nagel. Der Senat führt derzeit Gespräche mit der DDR über die Verpachtung von Gewerbeflächen, um hier Platz für Wohnungen zu schaffen (siehe Kasten).

Die heute bewilligten Wohnungen seien im Schnitt in ein bis zwei Jahren fertig, sagte Nagel. Man habe auch ein 1986 bewilligtes Projekt, das noch nicht angefangen wurde. Etwas hinten runtergefallen sind die Vorstellungen des kleineren Koalitionspartners AL. Die Umstellung der Wohnungsbaufinanzierung von Zinsförderung auf langfristig billigere Baudarlehen stagniert mit 750 Wohnungen pro Jahr. Im Mietrecht setzt Nagel auf die Einsicht der CDU. „Da macht uns in Bonn nur noch die FDP Probleme“, sagte Nagel. Er lobte ausdrücklichlich den Stuttgarter Oberbürgermeister Rommel (CDU), der eine längere Bindungsfrist für Sozialwohnungen gefordert hatte.

esch