Bettgeflüster fürs Neue Forum?

■ Privatradio Hundert,6 will DDR-Oppositionsgruppen mit Wahlspots pushen / „Hörerverträglich, massenwirksam, präzise“ / Öffentlich-rechtliche Sender lehnen aus rechtlichen Gründen noch ab / Hundert,6-Gafron: Wir würden auch für Mandela senden

„Marx ist tot, Jesus lebt“ - mit Blümscher Schlichtheit hatte der Bundesgesundheitsminister unlängst die neuen Verhältnisse im Ostblock umschrieben. Damit Marx am 6. Mai nicht wiederbelebt wird, schlug Blüm vor kurzem westlichen Hörfunk- und Fernsehanstalten vor, den DDR -Oppositionsparteien Sendezeiten für Wahlkampfspots einzuräumen. Die Öffentlich-Rechtlichen reagierten zurückhaltend, die Privaten signalisierten Zustimmung. Definitiv keine Parteienspots, lautet die Devise beim SFB. Er halte nichts von „Seifenwerbungsmanier“, erklärt auch Rias-Intendant Drück und kündigt statt dessen eine „reife und kritische Auseinandersetzung mit dem Thema in journalistischer Form“ an.

Im Hause Schamoni ist dagegen das Wahlkampffieber ausgebrochen, bevor die DDR überhaupt ein Wahlgesetz hat. Mit goldenem Riecher für die eigene PR will sich der Froschfunk als Medien-Entwicklungshelfer für die DDR -Oppositionsgruppen engagieren. Ab Februar sollen die ihre Message per Spot auf UKW 100,6 präsentieren können. „Hörerverträglich, massenwirksam, präzise Aussagen“, skandiert Chefredakteur Gafron. Im Berliner Regionalfernsehen „Wir in Berlin“, einem Joint-venture von Schamoni und Sat 1, sollen telegene Vertreter von SDP, CDU oder Neuem Forum um Stimmen werben. Daß die mit der Produktion von Wahlspots mangels Übung wenig Erfahrung haben, muß nicht weiter stören. „Wir können bei der Herstellung behilflich sein.“ Ab Februar soll ein wöchentliches „Special DDR aktuell“ Kandidaten vorstellen, aber auch über Behinderungen und „andere Sauereien“ gegenüber Oppositionsgruppen berichten. Die Gefahr, daß der Wortanteil im Dudelfunk dadurch leicht gesteigert werden könnte, nimmt man offenbar in Kauf. Die PR-Hilfe für die DDR -Opposition ist für Gafron, „jetzt, wo es doch um das Selbstbestimmungsrecht der DDR-Bürger geht“, eine Frage des journalistischen Selbstverständnisses.

Damit müßte es nach der Gafronschen Logik bei den Kollegen von ARD und ZDF hapern. Die ARD machte unter anderem rechtliche Gründe geltend, die nach den Worten des ARD -Vorsitzenden und Intendanten des Hessischen Rundfunks Kelm die Parteienwerbung für Wahlen in der DDR unmöglich machen. Auch der SFB bleibt deshalb wahlspotfrei, geplant ist jedoch ein Sonderprogramm auf der Nordschiene, „zunächst für die Wahlkampfphase“, sagte SFB-Sprecher Nieswandt. Dafür müßten zuerst noch Sendeplätze geschaffen werden.

Zumindest die Bewohner in und um Dresden werden davon nichts haben, da sie frequenztechnisch nicht in der ersten, sondern in der letzten Reihe sitzen und auf die öffentlich -rechtlichen Programme verzichten müssen. Ähnlich geht es auch RTL plus, von dessen Programm die DDR bislang weitgehend verschont geblieben ist. Der Kölner Privatsender bemüht sich weiterhin um eine Frequenz, um vom Ostberliner Fernsehturm Westberliner TV-Konsumenten (und nicht nur die) zu berieseln. Im Rahmen der Wahlkampfberichterstattung will RTL plus auch Wahlspots senden. Die Produktionsabteilung würde bei Anfragen von DDR-Gruppen zumindest „guten Rat bei der Herstellung geben können“, sagt RTL-Pressesprecher Hoenisch.

Gelassen sieht man die Lage bei Radio 100, das mit „Radio Glasnost“ schon vor längerer Zeit subversiv in die Hauptstadt funkte. Nun, da „Radio Glasnost nicht mehr Sprachrohr für eine sprachlose Opposition sein muß“, tendiert Harald Asel, Mitglied der Kernredaktion, eher zur redaktionellen Darstellung als zum Ausstrahlen von Wahlspots. „Das ist für die auch besser, als wenn die in 30 Sekunden komplexe Themen runterreißen müssen.“

Von entsprechenden Anfragen seitens der DDR-Opposition war in Pressestellen und Intendantenbüros nichts bekannt, lediglich Hundert,6-Chefredakteur Gafron weiß „von unzähligen Bitten um Medienunterstützung, auch vom Neuen Forum“. Im übrigen gibt sich Gafron internationalistisch. „Wenn in Südafrika Wahlen wären, würden wir auch allen Parteien Unterstützung gewähren, die durch die Apartheid behindert werden“, beteuert Gafron - vorausgesetzt, Hundert,6 könnte bis in die Hometowns dudeln. Nelson Mandela und Frank Schmeichels „Bettgeflüster“ im selben Programm Gafron schreckt vor nichts zurück.

anb