Ein neuer „Weißmacher“ für die Reps

Die Partei der „Republikaner“ versucht mit „modernem Duktus“ neue Wählerkreise anzusprechen und alte nicht zu verprellen / Neues Programm ist Teil der „Intellektualisierungs-Offensive“ / Anleihen bei der Neuen Rechten / Neutralitätskurs für „Großdeutschland“ / Klares Nein zum Ausländerwahlrecht  ■  Von Bernd Siegler

Nach andauernden innerparteilichen Querelen in nahezu allen Landesverbänden versuchen die rechtsextremen „Republikaner“ jetzt die Flucht nach vorn. Am 13.Januar, wird im bayerischen Rosenheim voraussichtlich ein neues Parteiprogramm verabschiedet, das ihnen den Anstrich einer modernen Rechtspartei mit intellektuellem Niveau geben soll, denn die Reps wollen „in die politische Verantwortung“ (Schönhuber). Parteiausschlußverfahren sowie ein zum wiederholten Male beschlossener Aufnahmestopp für NPD- und DVU-Mitglieder werden die „Weißmacher„-Offensive unterstützen, die schon Günther Rohrmoser, ehemaliger Strauß -Berater und Chefdenker der konservativen Denkfabrik „Studienzentrum Weikersheim“, im Juni letzten Jahres angemahnt hatte. „Es ist die Frage, ob Schönhuber die intellektuelle Kapazität, die ihm in der Bundesrepublik möglicherweise zur Verfügung stehen könnte, auch für sich mobilisieren kann.“ Das hänge davon ab, ob es dem Rep-Chef gelinge, die „gegen ihn geführte Faschismuskampagne zu überstehen und sich als eine mögliche vertretbare Position auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland dazustellen“.

Das ließ sich die Programmkommission unter Führung der Rep -Europaparlamentarier Emil Schlee und Johanna Grund, „intellektuell“ aufgefrischt durch den Erlanger Historiker Diwald (siehe auch taz vom 27.7.89), den Verfassungsschutzbeamten Hartel und den ehemaligen Kommandanten der Nato-Verteidigungsakademie in Rom, General Uhle-Wettler, nicht zweimal sagen. Mit einem „Wir Republikaner bekennen uns zu den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Grundrechten“ beginnt denn auch der Programmentwurf.

Deutschland zuerst

Die Devise „Deutschand zuerst“ zieht sich unausgesprochen wie ein roter Faden durch das Programm hindurch. In fast jedem Programmpunkt findet sich eine deutliche Absage an die Politik der sogenannten „Altparteien“. Aus dieser Absage leiten die „Republikaner“ nicht nur die Rechtfertigung für ihre Existenz ab, sondern versuchen auch, das auf die Parteiverdrossenheit gründende interne Protestpotential an sich zu binden. Schönhuber überließ es seinem „Freund Diwald“, den er selbst als Wegbereiter der Reps bezeichnet, die Grundelemente ihrer Parteipolitik zu skizzieren.

Die „neue Kraft für Deutschland“ (Rep-Slogan) versteht Politik als „Realisierung des Notwendigen“ - und notwendig sei es, „Deutschland wiederherzustellen“. Diwald sieht im Programm ein „Manifest der Erneuerung“ und im Tatbestand der „Untrennbarkeit von Volk, Nation und Staat“ ein „unbedingtes, jenseits aller Diskussion befindliches Prinzip“. Mit dem Satz „Deutschland ist nicht zu vernichten“ verbindet der Geschichtsrevisionist Diwald ein neues nationales Selbstbewußtsein mit der Drohung, daß es so lange keinen „wirklichen Frieden“ in Europa geben könne, wie Deutschland nicht wiederhergestellt sei. Dabei begnügen sich die „Republikaner“ nicht mit den Grenzen von 1937 einschließlich Kaliningrad (ehemals Königsberg). In einer im Anhang illustrierten Karte erklären sie das seit dem Staatsvertrag von 1955 gültige Anschlußverbot Österreichs für völkerrechtswidrig. Zudem sei die Bedeutung des Münchener Abkommens von 1938 erneut zu prüfen, ebenso die sogenannte „Memelland-Problematik“, also letztlich die Grenzen von Großdeutschland des Jahres 1939. „Die Deutsche Frage ist absolut offen.“

Über den Weg zur Lösung der „Deutschen Frage“ sind sich die „Republikaner“ im Vergleich zum alten Programm, verabschiedet im Mai 1987 in Bremerhaven, um einiges klarer geworden. Durfte darin die Westintegration der BRD auf dem Weg zur deutschen Einheit lediglich „kein unüberwindliches Hindernis“ darstellen, fordern sie jetzt das Herauslösen der deutschen Staaten aus den Blöcken als Voraussetzung.

Für ein „Europa der Vaterländer“

Ziel ist ein bewaffnetes, neutrales, wiedervereinigtes Deutschland, das auf der Grundlage „abendländischer Demokratievorstellungen und Werte“ beruhen soll. Klaren Vorrang vor einer europäischen Einigung hat dabei die „Wiederherstellung Deutschlands“.

Im Hinblick auf die Europafrage verschreiben sich die „Republikaner“ dem (von der französisch beeinflußten sogenannten „Neuen Rechten“) propagierten Modell eines vereinigten „Großeuropa“ als dritte Kraft zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion. Gemäß deren ethnopluralistischen Grundsätzen (Forderung nach einem getrennten Nebeneinander der Völker, um deren Verschiedenheit zu bewahren) erklären die Reps das „Europa der Vaterländer“ und nicht die „Vereinigten Staaten von Europa“ zu ihrem politischen Ziel.

Ein Groß-Europa unter deutscher Führung also? Die „Republikaner“ formulieren es vorsichtiger: „Deutschland muß die Möglichkeit haben, handlungsfähiger Mittelpunkt in Europa zu sein.“ Klare antiwestliche Töne, schon 1987 von der NPD nachvollzogen, bleiben bei den Reps vorerst der direkten Agitation auf Veranstaltungen bzw. der Parteipostille 'Der Republikaner‘ vorbehalten. Dort darf dann Parteichef Schönhuber gegen den Liberalismus als „Grundübel unserer Zeit“ vom Leder ziehen oder sein Zögling Harald Neubauer das „Ende des Einheitsmenschen“ und des „lebensfeindlichen Experiments der Gleichmacherei“ verkünden.

Doch in einem moderaten „im Duktus modernisierten Programm“ (Neubauer) müssen derartige Formulierungen außen vor bleiben. So hatten die „Republikaner“ noch in ihrem alten Programm die „Verwahrlosung der geistigen und politischen Kultur in ganz Deutschland“ bereits im ersten Punkt beklagt. Jetzt verstecken sie derartige direkte ideologische Anleihen bei der Neuen Rechten im Programmpunkt 6: Kirche und Religion. Dort sprechen sie sich dann für eine „innere Erneuerung unseres Volkes“ aus. Dazu sei es nicht nur in Deutschland allerhöchste Zeit, denn „die moralischen Abwehrkräfte unserer europäischen Kultur sind nahezu erschöpft“. Selbstmord- und Kriminalitätsraten sowie Abtreibungszahlen und die „Diffamierung der Frau in ihrer Rolle als mütterlicher Mittelpunkt der intakten Familie“ sind für die „Republikaner“ Indikatoren des moralischen Verfalls. Um das „abendländische Erbe der Deutschen“ zu wahren, wollen sie nicht nur zum Schutz „deutschen Kulturgutes“ Tradition und Brauchtum fördern, sondern grundsätzlich jede Abtreibung unter Strafe stellen, außer das Leben oder die Gesundheit von Mutter oder Kind sind in Gefahr. Der im alten Programm noch zulässige Ausnahmefall einer „nachgewiesenen“ Vergewaltigung wurde ersatzlos gestrichen, schließlich gelte es ja, „der Schrumpfung unseres Volkes“ etwas entgegenzusetzen.

Hauptagitationsfeld: Ausländerpolitik

Um die Kriminalitätsrate zu senken, bieten sich die „Republikaner“ wie eh und je als „Partei für Recht und Ordnung“ an - auch um weiterhin für Ordnungshüter aller Art attraktiv zu bleiben. Sie wollen einen „starken Staat“, der „mit Autorität ausgestattet“ ist.

Hauptagitationsfeld der „Republikaner“ bleibt jedoch die Ausländer- und Asylrechtspolitik. Versteckt auf Seite 17 des Programms werden die alten Forderungen wiederholt, allerdings ergänzt und verschärft. So fordern die „Republikaner“ eine Zuzugssperre für Ausländer und lehnen Rechtssicherheit für Flüchtlinge ab. Selbst bei „zuerkanntem Asylrecht“ soll eine „ständige Überprüfung“ stattfinden, ob der Asylgrund durch „demokratische Entwicklung im Heimatland entfallen ist“. Zusätzlich sind Flüchtlinge entsprechend dem bayerischen Modell nur in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. Auf sie warten „Sach- statt Geldleistungen sowie gemeinnützige Arbeit“. Ein klares Nein zum Ausländerwahlrecht und zur multikulturellen Gesellschaft ergänzen den Katalog. Weitere ausländerfeindliche Forderungen finden sich quer durch das ganze Programm versteckt. So sollen straffällige Ausländer sofort des Landes verwiesen werden, wenn das Urteil auf Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten lautet, Kinder- und Erziehungsgeld soll an die deutsche Staatsangehörigkeit gekoppelt werden, und die „vorrangige Zuweisung von Sozialwohnungen an Ausländer“ müsse gestoppt werden.

Der sich durch das Programm hindurchziehende Versuch, verfängliche Inhalte und völkische Töne zu vermeiden oder zu verstecken, um nicht in der Nähe anderer rechtsextremer Organisationen zu landen, ist den Autoren nicht immer gelungen. So wenden sich die „Republikaner“ explizit gegen „eine zunehmende Überfremdung unserer Kultur“ oder bezeichnen die „Erhaltung eines gesunden Bauerntums“ als „Lebensfrage für das gesamte Volk“. Sie verlangen in Erziehung und Bildung eine „bejahende Einstellung zu Volk, Staat und Nation, zu Heimat und Vaterland“ und verstehen den Umweltschutz zur „Sicherung der Existenzgrundlagen unseres Volkes“ als „patriotische Aufgabe“.

Kapital und Arbeit für das Wohl des Ganzen

Auch in ihrer Wirtschaftspolitik bleiben die „Republikaner“ dem alten Programm treu. Sie fordern eine freiheitliche Ordnung mit geringen staatlichen Eingriffen sowie eine Vereinfachung und Senkung der Steuerlasten. Entgegen den Konsequenzen des von ihnen verfochtenen Manchester -Kapitalismus setzen sie auf die Förderung des Mittelstands; der sei „Träger und Garant für Wohlstand, Beschäftigung und öffentliche Finanzen“. Und auch die gewerkschaftsfeindliche Haltung der Partei bleibt im neuen Programmentwurf enthalten. „Wichtigste Aufgabe“ der Gewerkschaft sei es, „das Wohl der Arbeitnehmer und deren Arbeitsstätten zu sichern und den Preis der Arbeit im Sinne des gesamten volkswirtschaftlichen Vorteils zu sehen“. Interessenkonflikte zwischen Kapital und Arbeit haben im „Republikaner„-Staat nichts zu suchen: die Gewerkschaften haben sich auf das gesamte Wohl des Staates zu beziehen. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schließen sich die „Republikaner“ der CSU-Forderung an, das „Monopol der Arbeitsvermittlung durch den Staat“ abzuschaffen.

Mit dem neuen Programm wollen die „Republikaner“ allein schon quantitativ (55 statt bisher 15 Seiten) beweisen, daß sie inhaltlich etwas zu bieten haben. Der Versuch, sowohl die in Wähleranalysen vielzitierten „Modernisierungsverlierer“ anzusprechen als auch Yuppies, Intellektuelle und gestandene Konservative, spiegelt sich wider im ideologischen Gemischtwarenangebot aus traditionellem Deutschnationalismus, Wertkonservativismus und christlichem Fundamentalismus sowie aus Elementen der Neuen Rechten beziehungsweise der Nationalrevolutionäre.

„Verbiegung des Charakters“

durch Siegermächte

Daß dieses in „moderatem“ Ton gehaltene Programm die reale politische Einstellung der Partei und deren Funktionäre verschleiern soll, beweist Emil Schlee, Leiter der Programmkommission, in seinem jüngsten Beitrag für die rechtsextreme Zeitschrift 'Europa vorn‘. Das Magazin steht dem nationalrevolutionären Flügel, den sogenannten „Jungen Republikanern“ Nordrhein-Westfalens nahe. Die hatten mit ihrer Leverkusener Erklärung versucht, die programmatische Diskussion der „Republikaner“ in Richtung auf eine antiimperialistische, nationalrevolutionäre Linie zu beeinflussen. Mit seinem Beitrag Ja zu Deutschland formuliert nun der Europaparlamentarier Schlee eine „Kampfansage an die psychologische Kriegsführung gegen unser Volk“. Er wendet sich gegen die „menschenunwürdige Umerziehung“ und die „Verbiegung des Charakters des deutschen Volkes“ durch die Siegermächte und fordert im Gegenzug einen „neuen Überlebenswillen“. - „Wenn das Herz Europas krank ist, kann Europa nicht gesunden.“ Er fordert den „gesunden, einsatzbereiten, leistungsfähigen, lebensfrohen und willenstarken Mensch als Staatsbürger“, nur der sei in der Lage, das „Ideal des Vaterlandes“ auch umzusetzen.