Hacker wollten Weltfrieden sichern

Im Hacker-Spionage-Prozeß vor dem Oberlandesgericht Celle sagten gestern die drei Angeklagten aus / Sie wollten ihr gesamtes Wissen an die Sowjetunion verkaufen / Aber der KGB zahlte nur für Computer-Software  ■  Aus Celle Jürgen Voges

Aus Sorge um den Weltfrieden und als Kämpfer gegen eine „Weltverschwörung“ kamen die unter Spionageverdacht stehenden hannoverschen Hacker auf die Idee, ihr gesamtes Wissen an die UdSSR zu verkaufen. Vor dem 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle, der seit gestern gegen zwei Hacker und einen Croupier wegen „geheimdienstlicher Agententätigkeit“ verhandelt, begründeten am ersten Verhandlungstag zwei der Angeklagten ihre Kontaktaufnahme zum KGB: Sie hätten einen Kräfteausgleich zwischen der Nato und dem Warschauer Pakt schaffen wollen. Gemeinsam mit dem verstorbenen Karl K. habe er im Frühjahr 1986 die Absicht entwickelt, „gegen die Weltverschwörung anzuarbeiten und etwas für den Frieden zu tun“, sagte der angeklagte Computerfachmann Dirk B. In einer einmaligen Transaktion habe alles Wissen, was man über Zugänge zu Rechnern weltweit gesammelt habe, in die UdSSR gehen sollen. Weil man geglaubt habe, daß das in den Rechnern gespeicherte Know-how Milliarden wert sei, habe man von den Sowjets eine Million verlangen wollen.

Bei dem Plan für den Handel mit der Sowjetunion spielte nach Darstellung des Angeklagten die Identifikation der Hacker mit Figuren aus dem Roman „Illuminatus“ eine entscheidende Rolle. Darin kämpfen ein „Captain Hagbard“ und die Besatzung seines „goldenenen U-Bootes“ gegen eine Weltverschwörung. Seinen Freund Karl K., der sich im Mai 1989 selbst verbrannt hat, bezeichnte Dirk B. als „wahnsinnig“. Karl K. habe zeitweise geglaubt, er sei „Captain Hagbard“ oder „Jesus“ und gedacht, „er habe das gesamte Netz der militärischen US-Rechner unter seinen Fittichen“. Großzügiger als Dirk B. selbst habe K. in dieser Zeit Drogen konsumiert. Als sein eigenes damaliges Vorbild bezeichnete Dirk B. den Physiker Manfred von Ardenne, „der nach dem Krieg die Atombombe nach Rußland gebracht hat“.

Auch der gelernte Croupier Peter C., der die Aufgabe übernahm, den Kontakt zur Sowjetischen Botschaft in Ost -Berlin herzustellen, bekannte, er habe 1986 beim ersten Zusammentreffen mit den Hackern „dieselbe Erleuchtung über die repressive Außenpolitik der USA gehabt“ und sich für den Kräfteausgleich zwischen den Militärblöcken einsetzen wollen. Peter C. bestritt allerdings nicht, daß bei ihm selbst „auch finanzielle Motive im Spiel waren“. Dem „Serge“ genannten Kontaktmann der sowjetischen Handelsmission in Ost -Berlin habe er zunächst ein 50seitiges Inhaltsverzeichnis einer Pentagon-Datenbank übergeben. Auf den Vorschlag, das gesamte Hacker-Wissen zum Pauschalpreis von einer Million DM zu verkaufen, ist „Serge“ dann aber nach Angaben von Peter C. nie eingegangen. „Serge“ habe statt dessen Inhaltsverzeichnisse von Datenbanken verlangt, um sagen zu können, welche einzelnen Datensätze die Hacker beschaffen sollten. Nach Aussage des Croupiers blieb dieses geplante Hacken für den KGB jedoch gänzlich ohne Ergebnis: „Was er wollte, hatten wir nicht. An dem, was er bekam, war er nicht interessiert“, sagte Peter C.